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Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut
Autoren: P. D. James
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warten. Frances hörte die Kette rasseln, das Knirschen, mit dem sich der Schlüssel im Schloß drehte, und dann öffnete sich die Tür. Eine stämmige, schwarzgekleidete alte Frau zeichnete sich als dunkle Silhouette vor dem hellen Dielenlicht ab.
    Sie sagte ganz einfach: »Monsieur Etienne erwartet Sie.«
    »Ich glaube nicht«, sagte Gabriel, an Frances gewandt, »daß du Estelle schon kennst. Sie ist Jean-Philippes Haushälterin. Im übrigen hast du jetzt nichts mehr zu befürchten, meine Liebe. In ein paar Minuten kannst du die Polizei verständigen. Estelle wird sich solange um dich kümmern, wenn du sie begleiten magst.«
    »Um mich braucht sich niemand zu kümmern«, versetzte Frances. »Ich bin doch kein Kind mehr. Du hast mich gegen meinen Willen hierhergebracht. Und jetzt, wo ich einmal da bin, bleibe ich auch bei dir.«
    Estelle führte sie durch einen langen gefliesten Korridor in den rückwärtigen Teil des Hauses, wo sie vor einer Tür stehenblieb und ihnen bedeutete, einzutreten. Der Raum, offenbar ein Arbeitszimmer, war dunkel getäfelt, und in die verbrauchte Luft mischte sich der durchdringend süßliche Geruch eines Holzfeuers. Die Flammen im gemauerten Kamin schlugen hoch wie gierige Zungen, die Scheite knackten und prasselten. Jean-Philippe Etienne saß in einem Ohrensessel rechts neben dem Feuer. Er erhob sich nicht, als die beiden eintraten. Vor dem Fenster, aber mit dem Gesicht zur Tür, stand Inspector Aaron. Er trug eine unförmige Schaffelljacke, in der seine stämmige Gestalt noch bulliger wirkte als sonst. Sein Gesicht war auffallend blaß, aber als ein berstender Holzscheit die Flammen jäh auflodern ließ, übergoß der Widerschein des Feuers seine Züge sekundenlang mit frischem Rot. Er hatte sich nicht einmal die Zeit genommen, sein windzerzaustes Haar zu kämmen. Wahrscheinlich, dachte Frances, ist er nur knapp vor uns angekommen. Seinen Wagen hatte er vermutlich in einiger Entfernung vom Haus geparkt, denn sie hatte draußen kein zweites Auto gesehen.
    Ohne von ihr Notiz zu nehmen, wandte Aaron sich direkt an Dauntsey. »Ich bin Ihnen gefolgt, Sir. Ich muß Sie dringend sprechen.«
    Er zog ein Kuvert aus der Tasche, entnahm ihm ein Foto und legte es schweigend, aber ohne Dauntseys Gesicht aus den Augen zu lassen, auf den Tisch. Die anderen rührten sich nicht.
    »Ich weiß, was Sie mir sagen wollen«, versetzte Dauntsey. »Aber Ihre Redezeit ist abgelaufen, mein Junge. Jetzt werden Sie mir zuhören.«
    Und da schien Daniel endlich auch Frances wahrzunehmen. Barsch, ja fast vorwurfsvoll fragte er: »Was machen Sie denn hier?«
    Frances’ Kiefergelenke schmerzten immer noch, aber ihre Stimme war klar und fest. »Ich wurde gewaltsam hierher geschleppt. Gabriel hat mich an Händen und Füßen gefesselt und geknebelt. Er hat Claudia umgebracht. In der Garage von Innocent House hat er sie erdrosselt. Ich habe ihre Leiche gesehen.
    Ja, was ist, wollen Sie ihn denn nicht festnehmen? So begreifen Sie doch: Er hat Claudia getötet und die beiden anderen auch.«
    Etienne war unterdessen aufgestanden, aber jetzt stieß er einen sonderbaren Laut aus – halb Stöhnen, halb Seufzer – und ließ sich wieder in seinen Sessel fallen. Frances eilte zu ihm. »Ach, es tut mir ja so leid, bitte verzeihen Sie! Wie herzlos von mir! Ich hätte Ihnen das viel schonender beibringen müssen.« Ihr ratloser Blick blieb an Inspector Aarons entsetztem Gesicht hängen.
    Daniel wandte sich an Dauntsey und sagte fast flüsternd: »Dann haben Sie es also zu Ende geführt.«
    »Machen Sie sich keine Vorwürfe, Inspector. Sie hätten sie nicht retten können. Sie war schon tot, als Sie Innocent House verließen.« Und an Jean-Philippe Etienne gewandt fuhr er fort: »Steh auf, Etienne. Ich will, daß du mir Auge in Auge gegenüberstehst.«
    Etienne erhob sich langsam und griff nach seinem Stock, mit dessen Hilfe er sich zu seiner vollen Größe aufrichtete. Doch kaum daß er, offensichtlich unter qualvoller Anstrengung, frei zu stehen versuchte, da taumelte er auch schon zur Seite und wäre womöglich gestürzt, wenn Frances ihm nicht beigesprungen wäre und ihn mit beiden Armen um die Taille gefaßt hätte. Etienne sagte nichts, sondern sah Dauntsey nur an.
    »Stell dich hinter deinen Stuhl«, befahl Dauntsey. »Du kannst dich ja auf die Lehne stützen.«
    »Ich brauche keine Stütze.« Entschieden schob der Alte Frances beiseite. »Ich war nur im Moment etwas steif vom langen Sitzen. Und ich denke nicht daran, mich
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