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Achtung, Superheld! (German Edition)

Achtung, Superheld! (German Edition)

Titel: Achtung, Superheld! (German Edition)
Autoren: Matthew Cody
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reichten fast bis an das Fenster heran. Und dort, in dem Baum, saß Mollie. Sie trug eine Windjacke und hatte die Kapuze aufgesetzt, doch er konnte ihr Gesicht trotzdem sehen. Sie sah traurig aus, und es war gut möglich, dass sie weinte – es war schwer, das in der Dunkelheit zu erkennen. Während er sie beobachtete, hob Mollie langsam ein Stück von den Ästen der riesigen Eiche ab, bis sie sich nicht mehr im Baum, sondern ein gutes Stück über dem höchsten Ast befand. Dann winkte sie zum Abschied.
    In diesem Moment musste sich eine Wolke vor den Mond geschoben haben, weil der Garten auf einmal im Dunkel lag und Michael nichts mehr sehen konnte. Er war so geschockt, dass er kein Wort herausbrachte. Er stand einfach stocksteif da und wartete darauf, dass die Wolke sich verzog. Als dies geschah, war Mollie nicht mehr da. Zurück blieb nur die alte Eiche, die im Wind schwankte.
    Michael stützte sich schwer auf seinen Schreibtisch. Er wünschte sich so sehr, diesem nagenden Gefühl nachgeben zu können – dieser schwachen Erinnerung irgendwo in den Tiefen seines Bewusstseins –, doch die Übelkeit drohte zurückzukehren und mit ihr der Schatten, der ihn verfolgte.
    Wenn er es sich erlauben würde, sich an irgendetwas zu erinnern, würde er sich an alles erinnern müssen. Und das war etwas, wofür Michael einfach nicht die Kraft aufbrachte.
    Es überraschte ihn selbst, dass er plötzlich lachen musste. Was hatte er nur für eine Fantasie, wenn er tatsächlich zu sehen glaubte, wie Mollie draußen im Garten herumflog! Er hatte eindeutig zu viele Stunden mit dem Lesen zu vieler Comics verbracht und seine Zeit mit dem Anfertigen blöder Zeichnungen vergeudet. Nun hatte er Halluzinationen – drohende Schatten in seinem Kopf und Freunde, die in Bäumen schwebten. Nach ein paar tiefen Atemzügen verging die Übelkeit wieder und dieses Mal verschwand das nagende Gefühl ganz und für immer. Zum ersten Mal an diesem Tag hatte er einen klaren Kopf. Michael klaubte den Rest der Zeichnungen zusammen und warf sie kurzerhand in den Papierkorb.
    Jetzt war es leicht zu vergessen. Eine neue Stimme in seinem Kopf sprach zu ihm, sagte ihm, dass es Zeit war, diesen Kinderkram hinter sich zu lassen. Er merkte, dass die Stimme den ganzen Tag über versucht hatte, zu ihm zu sprechen, dass er sich bis jetzt aber geweigert hatte, sie anzuhören – das nagende Gefühl hatte ihn zu sehr abgelenkt. Doch nun war es vorbei. Michael zog das Rollo herunter, damit er nicht mehr in Versuchung geriet, wieder zur alten Eiche zu schauen, und kletterte ins Bett. Er machte das Licht aus und nach kurzer Zeit war er eingeschlafen.
    DU KANNST FLIEGEN.
    In dieser Nacht und in allen darauffolgenden Nächten träumte Michael von ganz gewöhnlichen Dingen.
    DU KANNST FLIEGEN.
    Und er flog niemals wieder.

1
Der Neue
    Willkommen in Noble’s Green –
    der sichersten Stadt auf der Welt!
    Die sicherste Stadt auf der Welt?, dachte Daniel. Könnte nicht öder klingen.
    Daniel Corrigan und seine Familie sahen das Schild vom Auto aus, ein paar Meilen außerhalb der Stadt. Daniels Vater drückte auf die Hupe ihres Minivans, während seine Mutter in die Hände klatschte. Natürlich musste Daniels kleiner Bruder Georgie mitmachen, er kreischte vor Freude und seine stämmigen Beinchen traten gegen den Kindersitz. Georgie war erst zwei, und er glaubte, dass alle immer nur seinetwegen in die Hände klatschten – was normalerweise auch der Fall war. Daniels Eltern klatschten, egal, ob Georgie lachte oder plapperte oder auch nur rülpste.
    Daniel klatschte nicht mit, er steckte seine Nase nur noch tiefer in sein Buch. Mom hatte ihn wieder und wieder gewarnt, dass ihm vom Lesen im Auto schlecht werden würde, doch er tat es trotzdem. »Sherlock Holmes – Der Hund der Baskervilles« war sein Lieblingsbuch. Daniel hatte eine Schwäche für Detektivgeschichten und Sherlock Holmes war der beste Detektiv aller Zeiten. Punkt. Auch wenn Daniel sich absolut bewusst war, dass ein Pfeife rauchender Detektiv mittleren Alters nicht der typische Held eines durchschnittlichen 12-jährigen Jungen war, kümmerte er sich wenig um den Gruppenzwang, der von seinen Altersgenossen ausging. Er mochte es, seine Zeit auf den von Gaslaternen beleuchteten und von Pferdekutschen befahrenen Straßen, unter gefährlichen Schurken und, natürlich, mit dem treuen Gefährten Dr. Watson zu verbringen.
    Manchmal wünschte sich Daniel auch so einen treuen Gefährten. Alles, was er hatte, war
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