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Acht Tage im August

Acht Tage im August

Titel: Acht Tage im August
Autoren: Michael Winter
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der Mann, mit dem Anna dort oben im Turm gewesen war und den sie so sorgfältig vor aller Welt verborgen hatte. Aber warum? Und wer, in aller Welt, war er?
    Wieder ging Assauer alles durch, was er über Anna wusste: was ihre Freundin ihm erzählt hatte, ihr gespanntes Verhältnis zur Mutter, ihre Leistungen in der Schule, das Tohuwabohu in ihrem Zimmer …
    »Haben Sie nichts zu tun?«, schnitt Petra Gerstmanns Stimme durch seinen Gedankengang. Er öffnete die Augen, drehte sich gerade so weit um, dass er sie sehen konnte, ohne aber die Füße vom Tisch zu nehmen. Sie stand hinter ihm in der Tür und betrachtete ihn mit einer Mischung aus Empörung und Verachtung im Gesicht.
    »In der Ruhe liegt die Kraft«, beschied Assauer sie. »Und einer muss ja die Ruhe bewahren«, setzte er hinzu, »wenn andere sich darin gefallen, Amok zu laufen.«
    »Aha, und der eine sind natürlich Sie«, schnappte die Gerstmann zurück. »Ausgerechnet Sie.«
    »Nur wenn der Chef nicht da ist.«
    Die Gerstmann lief rot an.
    »Der Chef, das bin zurzeit ich, falls Sie das noch nicht gemerkt haben sollten, und ich finde es äußerst ungehörig, wie Sie hier in meiner Gegenwart rumfläzen!«
    »Sie«, gab Assauer betont gelassen zurück, »Sie passen vielleicht in ein Paar waffenscheinpflichtige High Heels, aber in die Schuh’ vom Chef wachsen Sie in hundert Jahren nicht rein. Und was meine Sitzposition angeht, dient sie der optimalen Durchblutung eines hoch entwickelten Organs, über das Sie nicht verfügen.«
    »So … so … so eine Frechheit, das wird Folgen haben!« Petra Gerstmanns Stimme überschlug sich, während ihre Gesichtsfarbe von Rot zu Purpur wechselte. Assauer zuckte nur die Schultern, wandte sich wieder von ihr ab und zog die Hände aus ihrer Position hinter dem Kopf über die Ohren. Gerade rechtzeitig, um den gewaltigen Knall zu dämpfen, mit dem die Gerstmann seine Tür zuschlug.
    Als Knall und Nachhall verklungen waren, schob er die Hände an ihren ursprünglichen Platz zurück, schloss wieder die Augen und ließ sein optimal durchblutetes Gehirn weiterarbeiten.
    Elternhaus, Schule, Jugendgruppe, den Bericht von Pathologie und Spurensicherung, jede Kleinigkeit ging er durch. Wieder erschien ihm nichts ungewöhnlich. Er begann von vorn, nichts. Wieder von vorn. Und wieder, ein Detail nach dem andern, bis er an einem davon hängen blieb: Latein! Das war ungewöhnlich: Annas plötzliche Verbesserung in Latein!
    Und mit einem Mal passte alles zusammen, war da ein Gesicht. Dieses Gesicht! Welches denn sonst? Er hätte längst drauf kommen müssen. Dass Anna so ein Geheimnis um ihn gemacht, sich nicht mal ihrer besten Freundin anvertraut hatte, war ja der deutlichste Fingerzeig auf ihn! Das und ihre sprunghafte Verbesserung in Latein. Und von ihm natürlich stammte auch der Ruß an Annas Knöpfen und dem BH. Und um seinetwillen, nicht um Annas, hatten sie ihre Liebe geheim gehalten!
    »Ein Blinder hätt’s mit dem Krückstock erkannt«, ärgerte sich Assauer. »Manchmal ist man doch wie vernagelt«, knirschte er.
    Nun blieb nur noch die letzte Frage: Warum ist das Mädchen da runtergesprungen?
    Welchen Grund konnte Anna dafür gehabt haben? Seit Tagen drehten Hammer und er sich im Kreis.
    Er musste zu Annas Freund und er war sich sicher, der war ganz in der Nähe. War heute nicht Annas siebzehnter Geburtstag? Einer, dem noch so viele hätten folgen müssen.
    Assauer setzte sich auf, nahm die Füße vom Schreibtisch, schlüpfte in die Schuhe, verließ sein Büro und stieg ins Auto.

    ***

    Die Putzfrau schlug den Tonnendeckel zu und verschwand wieder im Haus. Hammer wartete, bis die Tür hinter ihr zugefallen war, und ging über die Straße. Er machte die Tonne wieder auf und fand sogleich, was er suchte, zog es heraus, ließ es in einen Plastikbeutel fallen und grinste triumphierend.
    Es klickte vernehmlich hinter ihm. Unverkennbar ein Kameraverschluss! Hammer blickte über die Schulter. Peter Grimm, seine Nikon in der Hand, stand hinter ihm.
    »Sieh mal einer an, Polizei bespitzelt Journalisten«, sagte er genüsslich mit schiefem Lächeln. »Ich seh’ schon die Schlagzeile und ein launiger Text zum Thema Pressefreiheit fällt mir auch ein.« Er schwenkte seine Nikon. »Das Titelbild hab’ ich schon im Kasten. Gut, dass ich heute mal früher heimgekommen bin.«
    Hammer packte Grimm mit beiden Händen am Kragen, schob ihn mit der unwiderstehlichen Wucht seiner 95 Kilo ans Haus und soweit die Wand hoch, dass Grimms Zehen
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