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Ach waer ich nur zu Hause geblieben

Ach waer ich nur zu Hause geblieben

Titel: Ach waer ich nur zu Hause geblieben
Autoren: Kerstin Gier
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immer noch in mein Hosenbein verkrallt. Sie ist schneeweiß im Gesicht.
    »Vivi!«, jammere ich.
    »Ich kann Danis und Caros Haus sehen! Sogar das Kinderplanschbecken!«, sagt Vivi, die Nase ans Fenster gedrückt.
    Das Flugzeug macht einen Hüpfer durch ein Luftloch, und Gina reißt ihre Augen auf.
    »Jetzt!«, flüstert sie.
    Jetzt also! Das Ende ist nah. Ich kann nur hoffen, dass wir nicht auf Danis und Caros Haus stürzen werden. In meine Panik mischt sich Wut auf Vivi, die ja partout diesen Billigflieger buchen musste.
    »Hilfe!«, flüstere ich, aber Vivi hört mich nicht.
    Ich greife nach Ginas Hand. Irgendjemanden will ich festhalten, wenn ich sterbe, auch wenn dieser Jemand nach Trésor riecht.
    Stocksteif, händchenhaltend und mit fest zusammengekniffenen Augen erwarten wir das Ende. Sekunden dehnen sich zu Minuten, Minuten zu Stunden, ein Vorgeschmack auf die Ewigkeit.
    »Haben Sie auch Rotwein?«, höre ich Vivi fragen. »Oder was Stärkeres?«
    Vorsichtig öffne ich die Augen. Da vorne sind die Stewardessen wieder. Sie schieben lächelnd ihr Wägelchen durch den Gang und machen einen entspannten Eindruck.
    Durch das Fenster sehe ich watteweiße Wolkenfelder unter uns. Gina neben mir wimmert leise vor sich hin.
    »Wir haben unsere Reiseflughöhe erreicht«, sagt der Lautsprecher.
    »Und sind schon wieder nicht abgestürzt!« Vivi grinst mich an, bezahlt ein Glas Whisky und hält es Gina unter die Nase.
    Langsam kehrt die Farbe in Ginas Gesicht zurück. Wortlos greift sie nach dem Whisky und kippt ihn in einem Zug hinunter. Dann dreht sie sich zu mir um und mustert mich besorgt.
    »Na, du Arme, war es sehr schlimm?«, fragt sie. »Flugangst muss ja schrecklich sein!«
    Ich schaue sie fassungslos an.

Arachnophobie, Batrachophobie und
Entomophobie
oder die Angst vor der fremdländischen Fauna
    Dass ich ein Angsthase bin, sagte ich ja schon. Und dass meine Ängste offenbar so exotisch sind, dass sie keine eigenen Namen haben, erwähnte ich ebenfalls. Dabei dachte ich wirklich, meine Phobien wären weit verbreitet, also quasi normal. Zum Beispiel die Angst, im Feriendomizil keinen funktionierenden Korkenzieher vorzufinden. Oder die Angst, aus Versehen den flauschigen Bademantel einzupacken, der dem Hotel gehört – ich habe das ganze Internet nach den Fachbegriffen dafür durchsucht, aber nichts Passendes gefunden.
    Stattdessen bin ich auf zahllose andere Phobien gestoßen, die ebenfalls beim Reisen hinderlich sind, und leider muss ich sagen, dass etliche davon auf mich zutreffen, außer vielleicht der Koniophobie, der Angst vor Staub. Würde ich darunter leiden, könnte ich jetzt ganz sicher nicht so ruhig hier sitzen und schreiben. Ein einziger Blick unter mein Bett würde reichen, um einen echten Koniophobiker wohl für immer in eine geschlossene Abteilung zu bringen.
    Aufgrund meiner Recherchen weiß ich jetzt, dass die Angst vor nackten Bäuchen, die mich an Stränden und in der gemischten Sauna manchmal überfällt, gar nicht selten ist, denn sonst hätte sie keinen eigenen Namen und schongar nicht so einen schönen. Man muss ihn eine Weile üben, aber dann kommt er einem lässig über die Lippen.
    Beim nächsten Mal, wenn ein zutraulicher älterer Herr an einem ansonsten menschenleeren Strand sein Handtuch einen Zentimeter neben meinem ausbreitet, mir zuzwinkert und sich anfängt zu entkleiden, werde ich meine Hand heben und sagen: »Um Himmels willen, lassen Sie das T-Shirt an, ich leide unter einer schlimmen Gymnogasterphobie.«
    Und vielleicht habe ich ja Glück und der Mann rennt in Panik davon, weil er selber unter Sesquipedalophobie leidet, der Angst vor langen Wörtern. In diesem Fall würde es vielleicht Sinn machen, ein Schild hochzuhalten: Sesquipedalophobiker? Dann halten Sie besser Abstand. Für alle Fälle könnte man noch paar Kruzifixe, Haarbälle und Knoblauchzehen rund um das Handtuch arrangieren, am besten symmetrisch, denn dann würde man garantiert auch alle Staurophobiker, Sphairachättophobiker, Scorodophobiker und Symmetrophobiker abschrecken.
    Gut, das mögen jetzt vielleicht an den Haarbällen herbeigezogene Phobien sein, aber unter der Angst vor Spinnen, diversen Amphibien und krabbelnden, stechenden und beißenden Insekten leide sicher nicht nur ich.
    Vor allem ausländische Spinnen, Amphibien und Insekten sind nun mal zum Fürchten! Jeder kennt doch jemanden, der jemanden kennt, der im Ausland von einer Spinne in die Wange gebissen wurde und einen hässlichen Abszess bekam.
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