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Acacia 02 - Die fernen Lande

Acacia 02 - Die fernen Lande

Titel: Acacia 02 - Die fernen Lande
Autoren: David Anthony Durham
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sie kein Ende nehmen. Granitfelsen, die fast an Wellenkämme erinnerten, verliefen in großen hügeligen, von Wind und Wetter abgeschliffenen Höhenzügen von Norden nach Süden. Anfangs wusste Dariel nicht recht, wo er hinschauen sollte: Auf die üppige Natur oder auf Mór, die im vollen Licht der Sonne wunderschön war. Er entschied sich für Mór.
    Skylene berichtete ihr alles, was geschehen war: vom Diebstahl des Bootes über den erfolgreich durchgeführten Plan, den Seelenfänger zu zerstören, bis zum Verbrennen des Bootes. Es war ein offizieller Bericht. Dariel wusste, dass Mór die Einzelheiten bereits gehört haben musste; trotzdem harrten sie alle geduldig aus. Er suchte nach irgendwelchen Anzeichen, die ihm Rückschlüsse auf Mórs Gedanken erlaubt hätten, doch er konnte nicht erkennen, was sie dachte. Aber sie einfach nur anzusehen, war in gewisser Hinsicht auch ein Vergnügen. Lag das an dem, was sie war, oder daran, dass er unter all den Shivith-Flecken in der Form ihrer Augenlider, ihres runden Gesichts und der Art, wie ihre Wangenknochen vorstanden, Wren erkennen konnte? Genoss er es, Mór anzuschauen, oder die Geliebte, an die Mór ihn erinnerte? Er war sich wirklich nicht sicher.
    Falls Mór bei der Nachricht von der Zerstörung des Seelenfängers irgendeine Gefühlsregung empfand, zeigte sie es nicht. Sie nahm allerdings Dariels Hand in ihre, zog ihn einen halben Schritt nach vorn und legte sich die andere Hand auf ihr Brustbein. »Das Volk preist dich und dankt dir«, sagte sie. »Du hast etwas für uns getan, das wir in all den Jahren, die wir schon hier sind, nicht geschafft haben. Du bist mit Wissen hier angekommen, das wir nicht besitzen, und du hast es benutzt, um uns zu helfen. Wahrscheinlich kannst du gar nicht wissen, wie viel Gutes du getan hast, aber ich preise dich dennoch dafür.«
    Während sie dies sagte, war ihr Gesicht so ernst wie das eines Kindermädchens, das einem ungehorsamen Kind seine Strafe verkündet, doch nach einer kurzen Pause verzogen sich zunächst ihre Mundwinkel – erst der rechte und dann der linke – und dann ihre Wangen zu einem Lächeln. »Das ist zumindest ein Anfang. Wir werden dich nicht töten … noch nicht. Komm, schau dir das hier mit mir an.«
    Die beiden gingen von den anderen weg, kletterten den ansteigenden Felsen hinauf, der sich unter ihren Füßen rau und körnig anfühlte, und von dem unter ihrem Gewicht immer wieder kleine Steinchen abbröckelten. Ein Schwarm langer, schlanker Vögel kam über die Hügel im Nordwesten auf sie zugeflogen – schwarze Silhouetten vor dem sich rötenden Himmel, bis sie in den Schatten sanken und sich weiß vor dem tiefen Grün der Bäume abzeichneten.
    »Jenseits von hier ist das Land wild«, sagte Mór. »Die Westlande. Sie sind nicht unbewohnt. Nur wild. Und über alle Maßen schön. Bevor die Lothan Aklun gekommen sind, haben die Stämme der Auldek einen Teil davon besiedelt, aber ihre Städte im Landesinnern sind jetzt Ruinen, und das, was einst ihre Äcker waren, haben sich Wald und Dschungel längst zurückerobert.« Ihre Stimme hatte einen Plauderton angenommen, den sie ihm gegenüber bisher noch nie angeschlagen hatte. »Den Auldek macht es Spaß, uns auf ihren Kwedeirs zu jagen, aber es gibt Regionen in Ushen Brae, in die selbst ihre Jagdtrupps niemals vorgedrungen sind. Auf ihre Weise sind die Auldek durchaus mächtig, aber sie leben nur auf einem schmalen Landstreifen entlang der Küste, fürchten sich vor dem Meer auf der einen Seite und schotten sich mit einer Mauer auf der anderen zum Festland hin ab. Sie waren damit zufrieden.«
    »Aber du bist nicht damit zufrieden?«
    »Nein. Das wäre mir niemals möglich. Ich will das, was hier ist. Ich will von diesem Land auf eine Art und Weise Gebrauch machen, die die Auldek schon längst vergessen haben. Wenn dieses Land uns gehören würde, so dass wir damit tun könnten, was wir wollen, würden wir hier ein Paradies erschaffen, wie es die Welt noch nie gesehen hat. Natürlich würden wir das tun. Wer wüsste den Wert eines freien Lebens mehr zu schätzen als Sklaven?«
    Eine Nation von Waisen, dachte Dariel. Von denen keiner Kinder haben kann. Was für eine Zukunft ist das?
    Mór drehte sich zu ihm um und sah ihn an. »Denk darüber nach. Wir würden wissen, wie man eine gerechte Gesellschaft aufbaut. Und das ist etwas, das es auf der Welt noch nie gegeben hat.«
    Die Sonne schien warm auf ihre Gesichtszüge. Ihre Haut sah so weich aus. Dariel wollte
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