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Acacia 02 - Die fernen Lande

Acacia 02 - Die fernen Lande

Titel: Acacia 02 - Die fernen Lande
Autoren: David Anthony Durham
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traf. Dann nutzte er den Schwung des anderen und stieß den Ishtat mit einem Tritt vom Pier ins Hafenbecken. Als der Leichnam ins Wasser platschte, ließ Dariel den Blick über den Hafen, über das Deck und die Bullaugen des nächsten Schiffs und über die Straße wandern, die vom Wasser wegführte. Nichts. Niemand schien etwas bemerkt zu haben. Zumindest noch nicht.
    Er wirbelte herum. »Schafft die letzten Fässer an Bord, Freunde, und dann nichts wie weg hier!«
    Die anderen – darunter auch Skylene – starrten ihn an. Birké stand der Mund offen, so dass seine Eckzähne zu sehen waren. Tam machte so große Augen, dass es aussah, als fürchtete er um sein eigenes Leben. Selbst Tunnel sah beklommen aus.
    »Was denn?«, fragte Dariel, während er wieder auf das Boot sprang. »Habt ihr etwa geglaubt, das hier würde ohne Blutvergießen ablaufen? Fürs Anstarren ist später noch Zeit genug. Jetzt sollten wir weitermachen, oder bald ist noch viel mehr Blut im Wasser. Schnell jetzt, schnell.«
    Die letzten Fässer wanderten auf das Deck. Die Leinen wurden losgemacht. Dariel steuerte das Boot vom Pier weg und richtete den Bug auf das offene Meer. Dies war der Teil, den er am meisten gefürchtet hatte. So nahe am Erfolg zu sein, aber einen Augenblick länger zu brauchen, während sie für jedermann gut sichtbar waren. Arbeiten auf dem Pier mochten nicht allzu viel Aufmerksamkeit erregen; ein Schiff hingegen, das mitten in der Nacht auslief, war etwas ganz anderes. Dariel spürte, wie sich Hunderte von Blicken in seinen Hinterkopf bohrten. Er kämpfte ebenso sehr gegen den Drang an, sich umzudrehen, wie gegen den Wunsch, mit voller Fahrt davonzurauschen.
    Langsam , sagte er sich. Einfach nur ganz gleichmäßig vorwärts. Wir sind unterwegs, um etwas irgendwo hinzubringen, das ist alles. Hier gibt es nichts Verdächtiges.
    Direkt vor ihm, und für alle deutlich zu sehen, tanzte das Fass in den Wogen auf und ab. Er hätte das Ding am liebsten gerammt und sich dann davongemacht, aber wenn irgendjemand sah, wie sie daran vorbeifuhren, ohne es aufzufischen … Er lenkte das Boot darauf zu, nahm die Fahrt weg, bis das Fass gegen die Bordwand stieß, und wies dann seine Mannschaft an, es an Bord zu holen. Sekunden verstrichen, während sie danach griffen, doch es glitt außer Reichweite.
    Skylene tauchte neben ihm auf. Sie schaute zum Hafen zurück, was er nicht wagte. »Der Tote ist jetzt gut zu sehen«, flüsterte sie.
    Zum ersten Mal in dieser Nacht traten Dariel Schweißperlen auf die Stirn und rannen ihm die Schläfen hinunter. Er musste sie sich aus den Augenwinkeln wischen. Doch er drehte sich noch immer nicht um, ließ stattdessen das Boot sanft auf das Fass zugleiten. Tam tauchte auf, einen Bootshaken in der Hand. Damit gelang es ihnen, das Fass achtern an die Bordwand heranzuziehen und es schließlich an Bord zu hieven.
    Langsam und gleichmäßig vorwärts.
    »Sie haben ihn entdeckt«, meldete Skylene.
    Dariel fluchte. Er wollte noch etwas anderes sagen, doch ihm fiel nichts ein.
    »Ein Ishtat gibt den anderen Zeichen. Er deutet aufs Wasser.«
    »Beim Schöpfer!« Dariel knirschte mit den Zähnen, während er die Landzunge langsam näher rücken sah. Es mochte eine Bitte gewesen sein, aber es klang mehr wie eine Drohung. Skylene sah ihn einen Moment lang an und schaute dann wieder weg.
    »Sie stehen jetzt alle dicht beieinander«, berichtete sie. »Es sieht so aus, als wollten sie ein Boot zu Wasser lassen.«
    Langsam und gleichmäßig vorwärts.
    Als sie die Landspitze fast erreicht hatten, die sie vor den Blicken vom Hafen her verbergen würde, fragte er: »Und?«
    Ihr Ellbogen streifte den seinen, während das Schiff in die tiefere Strömung glitt, die um die Landzunge herumkam, so dass sich das Schaukeln des Rumpfs veränderte. Sie antwortete erst, als sie aus dem Lichtschein des Hafens heraus waren. »Ich glaube nicht, dass sie uns entdeckt haben, aber wir sollten uns vielleicht trotzdem beeilen.«
    Und das taten sie. Dariel trieb das Schiff sogar noch schneller vorwärts als zuvor. Sie rasten im Sternenlicht dahin, und als sie die Südspitze der Insel umfuhren, wurden sie von den ersten Strahlen der am östlichen Horizont aufgehenden Sonne begrüßt, die ihre Gesichter wärmten. Gleich darauf waren sie wieder beim Seelenfänger.
    War Tunnel im Hafen beeindruckend gewesen, so war er jetzt das reinste Wunder, wie er sich mit nacktem, schweißglänzendem Oberkörper die Fässer auf die Schultern lud und die
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