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Absolution - Roman

Absolution - Roman

Titel: Absolution - Roman
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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alten Steingarten gegraben, um Platz für ein Gemüsebeet zu schaffen. Wenn doch die Männer sich flüsternd verständigen würden, damit sie wüsste, ob sie noch da waren. Sie glaubte sie am anderen Ende des Korridors und war sich dann sicher, als die erste Stufe der Treppe zum Obergeschoss unter dem Gewicht eines vordringenden Fußes seufzte. Mein Gott! Sie musste schreien und Marie warnen! Aber sie bekam keine Luft, ihre Kehle war geschwollen. Sie bekam einfach keine Luft; die Stimmbänder wollten ihr nicht gehorchen. Alles an ihr war dick und hart.
    Und dann, ohrenbetäubend, vier grelle, peitschende Schüsse, leises Stöhnen und ein fünfter, dumpferer Schuss, ein sechster, grell wie der erste, und dann an ihrer Tür vorbeistürmende Schritte. Die ihrem Bett gegenüberliegende Wand explodierte in einem Gipsregen, die gerahmte Fotografie stürzte herab und Glassplitter verteilten sich über die Dielen und die Teppiche. Ein schneller Schuss zuletzt, ein Stöhnen und Gepolter von Füßen die Treppe hinunter, zuschlagende Türen und dann Stille.
    Es war kein Traum, doch sie erwachte daraus und sah Marie an ihrer Seite.
    »Sie sind weg. Ich habe sie vertrieben.«
    »Ich wusste nicht, dass du eine Schusswaffe hast.«
    »Du hast ja keine Alarmanlage gewollt«, sagte Marie.
    »Jetzt werde ich eine anschaffen.«
    »Ich gehe zu den Nachbarn, die Polizei anrufen.«
    »Hast du jemanden getötet?«
    »Nein.«
    »Hast du sie verfehlt?«
    »Nein. Ich habe auf ihre Schussarme gezielt.«
    »Du hast getroffen?«, fragte Clare.
    »Ja. Einer wollte nicht aufgeben. Ich habe ein zweites Mal auf ihn geschossen. Und dann kamen die anderen auf mich zu und ich habe noch mal auf einen von ihnen geschossen. Mehr Munition hatte ich nicht.«
    »Glück gehabt.«
    »Ich bin gleich wieder da.« Marie blieb in der Nähe der Tür stehen und musterte die Glassplitter auf dem Fußboden, die Gipsbrocken, die freigelegten Balken in der Wand, den Außenstuck. Das Ausmaß des Schadens würde sich erst bei Tageslicht zeigen.
    »Bist du sicher, dass sie fort sind?«
    »Sie sind weggefahren. Sie waren wirklich blöd. Ich habe ihr Kennzeichen aufgeschrieben, ehe sie nach oben kamen. Sie haben direkt vorm Haus geparkt.«
    »Es war wahrscheinlich gestohlen.«
    Nachdem Clare gehört hatte, wie Marie das Haus verließ und die Tür hinter sich zuschloss, setzte sie sich im Bett auf. Ihre Kehle war noch immer ausgedörrt und heiß. Wie konnte Marie es wagen, ihr zu verschweigen, dass sie eine Schusswaffe besaß? Wie konnte sie es wagen, in ihrem, Clares Haus, zu schießen? Wie konnte sie es wagen, sich so viel herauszunehmen?
    Seit Jahren war Clare einem Schusswechsel nicht mehr so nah gewesen; das letzte Mal war es während der Ferien gewesen, die sie auf der Farm ihrer Cousine Dorothy in der Provinz Ostkap verbrachte, als der Vorarbeiter bei einem Angriff getötet und Dorothy verwundet worden war. Die beiden Doggen waren ebenfalls getötet worden und erst am nächsten Morgen, als sie sicher waren, dass die Gefahr vorüber war, hatten sie sich hinausgewagt, Gruben für die Hunde ausgehoben und die großen, schlanken Körper innerhalb des Anwesens begraben. Doggen haben kein langes Leben. Sie hüllten den Leichnam des Vorarbeiters in Kartoffelsäcke und legten ihn auf die Ladefläche des Lastwagens. Ihre Cousine saß daneben mit ausgestrecktem und immer noch blutendem Bein. Clare war eine Stunde auf unbefestigten Straßen gefahren, dann über den Bergpass zum Krankenhaus in Grahamstown. Da waren doch sicher noch andere bei ihnen gewesen, vielleicht ihre Tochter? Sie konnte sich nur an die blutende Cousine, den toten Vorarbeiter, die toten Hunde und die unsichtbaren Angreifer erinnern. Ihre Tochter konnte nicht dort gewesen sein. Damals war Laura schon verschwunden.
    Clare hatte nicht die Nerven nachzusehen, ob Blut im Korridor war, obwohl sie wusste, es musste welches da sein, Blut wie Akkusäure, das sich in die Teppiche und Dielen fraß und nicht entfernt werden konnte.
    Die Polizei bestätigte, dass Bolzenschlösser und Türen nicht aufgebrochen worden waren, und Marie bestand darauf, dass sie, wie immer, geprüft hatte, ob die Türen abgeschlossen waren, ehe sie zu Bett ging; das gehörte genauso zu ihrem abendlichen Ritual, wie die Zähne mit Zahnseide zu reinigen. Außerdem kreisten ihre Gedanken ständig um Sicherheit, daher hätte sie das nicht aus Versehen vergessen, nicht einmal an einem schlechten Tag. Die Telefonleitung war durchgeschnitten worden,
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