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Absolution - Roman

Absolution - Roman

Titel: Absolution - Roman
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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Ihre frühen Bücher hatten auf der Rückseite ein Foto, das sie mit einem Gepardenbaby auf dem Arm zeigt, bei dem das Maul offen steht und die Zunge zu sehen ist, wie jetzt die ihre. Das Bild lässt an einen Säugling oder an ein Schlaganfallopfer denken. »Mein britischer Verlag hat auf dem blöden Geparden bestanden«, wird sie mir später erzählen, »weil das von einer afrikanischen Schriftstellerin erwartet wurde: dass sie das Wilde an den Busen drückt, den Kontinent säugt, die ganzen abgedroschenen Großmachtfantasien.«
    »Was haben Sie sich vorgestellt, in welcher Form das ablaufen soll?«, fragt sie nun. »Erwarten Sie bitte nicht, dass ich Ihnen meine Briefe und Tagebücher zugänglich mache. Ich spreche mit Ihnen, aber ich werde keine Dokumente oder Familienalben hervorkramen.«
    »Für den Anfang habe ich an eine Reihe von Interviews gedacht.«
    »Um warm miteinander zu werden?«, fragt sie. Ich nicke, zucke mit den Schultern, hole ein kleines digitales Aufnahmegerät hervor. Sie schnaubt. »Hoffentlich erwarten Sie nicht, dass wir durch dieses Unternehmen zu Freunden werden. Ich werde nicht mit Ihnen im Garten spazieren gehen oder Museen besuchen. Ich werde mich nicht auf einen Drink mit Ihnen treffen. Ich werde nicht die Weisheit der Alten vermitteln. Ich werde Sie nicht lehren, wie man ein besseres Leben führt. Unsere Vereinbarung ist beruflicher Natur, es handelt sich nicht um eine Romanze. Ich bin eine viel beschäftigte Person, nächstes Jahr erscheint ein neues Buch von mir, Absolution . Ich werde Sie es wohl lesen lassen müssen, zu gegebener Zeit.«
    »Ganz wie Sie wünschen.«
    »Wie gesagt habe ich Ihre Artikel gelesen. Sie liegen mit Ihren Aussagen nicht ganz falsch.«
    »Vielleicht können Sie einige meiner Irrtümer berichtigen.«
    Bei meiner Ankunft hat mir nicht Clare selbst die Tür geöffnet. Marie, die Assistentin mit den Knopfaugen, führte mich in einen Wohnraum mit Blick auf den Vorgarten, die lange Auffahrt und die hohe beigefarbene Grundstücksmauer, aufgerüstet mit Stacheldraht, der so geformt und bemalt ist, dass er Efeuranken vortäuscht, und auf das elektronische Tor, das die Straße aussperrt. Kameras überwachen das Anwesen. Clare hat für unser erstes Interview ein kaltes Zimmer gewählt. Vielleicht ist es das einzige Wohnzimmer. Nein – ein Haus dieser Größe wird mehrere haben. Es muss noch eins geben, ein besseres, mit Blick auf den Garten hinterm Haus und den Berg, der sich über der Stadt erhebt. Beim nächsten Mal wird sie mich dorthin führen oder ich werde es irgendwie selbst finden.
    Ihr Gesicht ist schmaler, als die Fotos von ihr erwarten lassen. Falls ihre Wangen vor fünf Jahren in Amsterdam voller waren, so hat sie gesundheitlich abgebaut und ihr Gesicht ist nun von feinen Rissen überzogen, ein ausgetrocknetes Flussbett. Es sieht überhaupt nicht aus wie auf irgendeinem der Fotos. Ihr widerspenstiger Blondschopf hat eine Silberfarbe angenommen, und obwohl er dünn und spröde geworden ist, besitzt er noch etwas vom alten Glanz. Sie ist in die Breite gegangen und beinah eine sehr alte Frau, wirkt aber nicht so alt, wie sie wirklich ist – eher wie sechzig. Ihre Haut ist gebräunt und ihre Kieferpartie hat noch Form und Spannkraft. Ungeachtet des leichten Buckels versucht sie sich gerade zu halten. In mir steigt Zorn auf über ihre Eitelkeit. Aber es steht mir nicht zu, ein Urteil zu fällen. Sie ist, wer sie ist. Ich bin aus einem anderen Grund hier.
    »Ich hoffe, Sie haben sich etwas zu essen und trinken mitgebracht. Ich habe nicht vor, Sie durchzufüttern, während Sie von mir zehren. Sie können die Örtlichkeit am Ende des Korridors links nutzen. Vergessen Sie bitte nicht, den Toilettensitz herunterzuklappen, wenn Sie fertig sind. Das sichert Ihnen mein Wohlwollen.«
    Sie verengt ihre Augen und scheint wieder süffisant zu lächeln, aber ich kann nicht genau sagen, ob sie im Scherz oder im Ernst spricht.
    »Werden Sie diese Gespräche aufnehmen?«
    »Ja.«
    »Sich auch Notizen machen?«
    »Ja.«
    »Ist es eingeschaltet?«
    »Ja. Die Aufnahme läuft.«
    »Nun?«
    »Ich bin berechenbar. Ich fange gern von vorn an«, sage ich.
    »In meiner Kindheit werden Sie nichts Interessantes entdecken.«
    »Darum geht es nicht, wenn Sie mir die Offenheit verzeihen. Die Öffentlichkeit interessiert sich einfach dafür.« Tatsächlich ist über ihr Leben fast nichts bekannt, was über die mageren Tatsachen, die offiziell belegt sind, und über das wenige, was sie in
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