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Absolution - Roman

Absolution - Roman

Titel: Absolution - Roman
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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auch alles in die Brüche gegangen. Vielleicht wäre ich eingeschnappt oder Sie hätten die Flucht ergriffen. Schauen Sie, ich weiß, dass ich nicht unkompliziert bin. Um die Wahrheit zu sagen, ich habe meine schwierige Persönlichkeit kultiviert. Aber andererseits ist unkompliziert nicht notwendigerweise gut , wie jeder Philosoph Ihnen sagen kann. Ein Teil von mir war der Meinung, Sie müssten sich dieses Erkennen verdienen. Und noch wichtiger war, dass ich mich vor dem fürchtete, was Sie tun könnten, wenn ich zugab, mich an Sie zu erinnern. Ich hatte Angst vor Ihrem Zorn.«
    Sie unterbricht sich, um ihren Kaffee auszutrinken, und entsorgt den leeren Becher mit großer Achtsamkeit in einem Abfalleimer, als wollte sie dem Becher und seiner Entsorgung genauso viel Bedeutung verleihen wie unserem Gespräch. Sie wischt sich Krumen von den Fingern und nimmt meine Hand, als hätte sie es mit einem kleinen Vogel zu tun. »Hast du geglaubt, diesen Auftrag allein wegen deines Intellekts bekommen zu haben, durch einen äußerst glücklichen Zufall, durch die Qualität deiner Arbeit und die Empfehlungen von ein paar streitsüchtigen Wissenschaftlern, die sich für Götter halten?«
    »Das habe ich angenommen. Ich habe geglaubt, der Zufall habe mich wieder zu Ihnen geführt. Und mein eigenes Talent.«
    »Eine schmeichelhafte Annahme, doch nein. Ich habe dich ausgewählt. Ich habe deine Anwesenheit befohlen. Ich habe zu meinem Verleger gesagt: ›Wenn Sie weiter auf diesem Vorhaben bestehen, um den Absatz meiner Bücher nach meinem Tod zu fördern, dann muss ich die Möglichkeit haben, meinen Biografen selbst zu wählen.‹ Und ich habe dich gewählt, was mir sehr viel lieber war als meinem Verleger, der ein halbes Dutzend viel renommierterer Autoren in petto hatte, die nur darauf warteten, die Aufgabe zu übernehmen. Die Begegnung mit dir in Amsterdam war entsetzlich, doch auch so etwas wie ein Geschenk. Du warst die Antwort auf mein Problem. Ich wusste sofort, wer du warst: der Junge vor der Tür.«
    »Ich habe nicht die leiseste Andeutung eines Wiedererkennens gesehen.«
    Sie hebt bescheiden die Hand. »Wir haben es hier mit zwei Dingen zu tun. Das erste ist das Vorhaben, mit dem wir beschäftigt sind, die Biografie. Wenn sie dazu dient, ein neues Interesse an meinem Werk zu schaffen, und verhindert, dass es nicht mehr aufgelegt wird, wenn ich gestorben bin, dann wird das meinen Sohn glücklich machen, ungeachtet seiner Proteste, und es wird meinen Verleger ganz bestimmt sehr glücklich machen. Das zweite ist: Warum gerade du? Ich habe dich nicht deswegen gewählt, weil ich deine Arbeit mehr schätze als die irgendeines anderen. Ich habe tiefer gehende wissenschaftliche Analysen gelesen, theoretisch anspruchsvollere Arbeiten und auch besser geschriebene. Du bist aus persönlichen Gründen hier, wegen deines Platzes in meiner Familie oder des Platzes, den ich dir in meiner Familie verweigert habe. Du bist auch hier, weil ich hoffte, dass du etwas mehr über die Tage vor Lauras Verschwinden wissen könntest. Wir wollen wenigstens in dieser Sache ehrlich sein.«
    Ich merke, wie meine Beine zu zittern beginnen, während sie ihr Kinderlächeln lächelt und die Lippen schürzt. Hier an ihrer Seite weiß ich, ich kann ihr niemals sagen, was ich von Timothy und Lionel erfahren habe. Was sie auch über Laura erahnen mag und was nicht – ihr mitzuteilen, was ich mittlerweile für wahr halte, würde sie vernichten, fürchte ich. Trotz einer anhaltenden Verbitterung, die ich vielleicht noch über Vergangenes empfinde, ist das Letzte, was ich möchte, sie zu verletzen.
    »Ich habe dich nie vergessen, Sam. Wie konnte ich? An jenem Tag habe ich euch gesehen, ehe ihr angeklopft habt. Lionel, Timothy und du, ihr stiegt alle drei aus einem hellen, kleinen Auto und starrtet auf mein Haus, schautet auf ein Papier, einen Zettel mit einer Adresse, nehme ich an, kamt dann über die Straße und klopftet an. Mein Mann war auf einer Konferenz in Johannesburg und ich war allein im Haus. Plötzlich waren da diese zwei fremden Männer und ein Junge auf meiner Schwelle und das war kein guter Anfang, weil ich schon auf der Hut war. Lionel und Timothy stellten sich vor und Timothy reichte mir einen Umschlag von meiner Tochter und ihre Notizbücher und Lionels Fotos. Einer von ihnen fragte mich, ob ich von Laura gehört habe. Ich verneinte und zeigte auf dich und fragte, wer du seist. Timothy antwortete. Er sagte: ›Dieser Junge war mit Ihrer Tochter
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