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Absender unbekannt

Absender unbekannt

Titel: Absender unbekannt
Autoren: Dennis Lehane
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dass wir mit ihm zu tun hatten.“ ‘
„Trotzdem…“
„Wer weiß?“ sagte sie. „Ich habe schon viele komische, hässliche Typen mit hübschen Frauen gesehen und umgekehrt.“
„Kevin ist aber nicht einfach komisch. Er ist ein Schwein.“ „Das sind auch viele Profiboxer. Und die haben auch immer Frauen dabei.“
Ich zuckte mit den Achseln. „Stimmt schon. Okay. Also, was machen wir mit Kevin?“
„Und Jack Rouse“, ergänzte sie.
„Gefährliche Typen“, warf ich ein.
„Und wie!“
„Tja, wer hat denn täglich mit gefährlichen Leuten zu tun?“ „Wir bestimmt nicht“, antwortete sie.
„Nee“, stimmte ich zu, „wir sind Luschen.“
„Und stolz darauf“, sagte sie. „Da bleibt nur…“ Sie wandte sich zu mir und blinzelte gegen die Sonne. „Du meinst doch nicht…“ „Doch.“
„Oh, Patrick.“
„Wir müssen Bubba einen Besuch abstatten.“
„Wirklich?“ fragte sie.
Ich seufzte und freute mich selbst nicht unbedingt. „Wirklich.“ „Scheisse“, fluchte Angie.

3
    „Links“, befahl Bubba, „und jetzt ungefähr 20 Zentimeter nach rechts! Gut. Fast geschafft.“
Er ging ein paar Meter vor uns rückwärts, die Hände auf Brusthöhe und winkte mit den Händen, als würde er einen Lkw einweisen. „Gut“, sagte er, „den linken Fuß ungefähr 23 Zentimeter nach links. Genau so.“
Ein Besuch in Bubbas Zuhause, einem alten Lagerhaus, ist so, als spiele man am Rande des Abgrunds Blinde Kuh. Bubba hat die ersten zwölf Meter seiner ersten Etage mit so viel Sprengstoff vermint, dass er die gesamte Ostküste in die Luft jagen könnte, deshalb muss man seinen Anweisungen auf den Buchstaben genau folgen, wenn man den Rest des Lebens ohne künstliche Beatmung auskommen will. Obwohl Angie und ich die Prozedur schon unzählige Male durchgemacht haben, vertrauen wir unserem Gedächtnis niemals so, dass wir die zwölf Meter ohne Bubbas Hilfe überwinden würden. Auch wenn wir deshalb als übervorsichtig gelten. „Patrick“, mahnte er mich mit ernstem Gesichtsausdruck, während mein Fuß fünf Millimeter über dem Boden schwebte. „Ich habe gesagt, fünfzehn Zentimeter nach rechts. Nicht vierzehn.“
Ich atmete tief ein und verschob den Fuß um einen Zentimeter. Er grinste und nickte.
Ich setzte den Fuß ab. Und flog nicht in die Luft. Glück gehabt! Hinter mir fragte Angie: „Bubba, warum kaufst du dir keine Alarmanlage?“
Bubba runzelte die Stirn. „Das ist meine Alarmanlage.“
„Das ist ein Minenfeld, Bubba.“
„So nennst du das“, erwiderte Bubba. „Zehn Zentimeter nach links, Patrick!“
Hinter mir atmete Angie laut aus.
„Du bist durch, Patrick“, lobte mich Bubba, als ich auf ein Stück Fußboden ungefähr drei Meter von ihm entfernt trat. Er sah Angie an und runzelte die Stirn. „Stell dich nicht so an, Angie!“ Angie stand mit angewinkeltem Knie da und sah aus wie ein Storch. Aber ein ziemlich wütender Storch. Sie sagte: „Wenn ich dich kriege, bringe ich dich um, Bubba Rogowski!“
„Ooooh“, entgegnete Bubba. „Sie hat mich mit meinem vollen Namen angeredet. Genau wie meine Mutter immer.“
„Du hast deine Mutter doch gar nicht gekannt“, erinnerte ich ihn. „In Gedanken, Patrick“, erwiderte er und berührte seine vorspringende Stirn, „in Gedanken.“
Von seinem ausgeklügelten Frühwarnsystem mal abgesehen – manchmal mach ich mir Sorgen um ihn.
Angie trat auf das Stück Boden, das ich gerade geräumt hatte. „Du bist durch“, sagte Bubba, und sie boxte ihn auf den Arm. „Müssen wir noch an irgendwas anderes denken?“ wollte ich wissen. „Fallen gleich Speere von der Decke, oder springen Rasierklingen aus den Stühlen?“
„Nur wenn ich sie aktiviere.“ Bubba ging zu einem alten Kühlschrank hinüber, der sich hinter zwei abgesessenen braunen Sofas, einem orangen Bürostuhl und einer uralten Steroanlage befand. Vor dem Bücherregal stand eine Holzkiste, mehr davon waren hinter einer Matratze gestapelt, die wiederum hinter die Sofas geworfen worden war. Einige der Kisten waren geöffnet; ich konnte die hässlichen Kolben von geölten schwarzen Handfeuerwaffen zwischen gelbem Stroh hervorlugen sehen. Bubbas täglich Brot.
Er öffnete den Kühlschrank und holte eine Flasche Wodka aus dem Eisfach. Aus seinem Trenchcoat zog er drei Schnapsgläser hervor. Ganz egal ob Hochsommer oder tiefster Winter – Bubba trennt sich nie von seinem Mantel. Ein Harpo Marx mit schlechtem Benehmen und Mordgelüsten. Er goss Angie und mir einen Wodka ein und reichte uns
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