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Abschied von Eden

Titel: Abschied von Eden
Autoren: Faye Kellerman
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mit vielen Kindern, die alle miteinander spielen, hätten einige der Mütter sie erkannt haben müssen … Es sei denn, ihre Eltern hätten sie eingesperrt und nie rausgelassen.«
    »Das glaub’ ich nicht«, sagte Decker. »Sally ist ein aufgewecktes kleines Mädchen – hat keine Angst vor Menschen, redet schon ein bißchen und lächelt viel. Sie macht nicht den Eindruck, als wäre sie sozial isoliert gewesen. Außerdem hat keine der Mütter, mit denen ich geredet hab’, von irgendeiner seltsamen Familie in der und der Straße gesprochen.«
    »Yeah«, sagte Marge. »In so einem relativ kleinen Viertel würde eine sonderbare Familie auffallen.« Sie zog die Stirn in Falten. »Damit wären wir wieder bei der entscheidenden Frage. Wo, zum Teufel, kam Sally her?«
    »Sophi Rawlings hatte eine interessante Idee. Vielleicht haben sich die Eltern um das Sorgerecht gestritten. Vielleicht hat Daddy sie gekidnappt, dann gemerkt, wieviel Arbeit sie macht, und hier ausgesetzt, damit sie jemand findet.«
    »Hier?«
    »Das ist eine gute Gegend für Familien«, sagte Decker. »Irgendwer hätte sie sehen müssen.«
    »Hat aber niemand«, sagte Marge.
    »Doch. Ich.«
    »Aber du bist nicht aus dem Viertel«, antwortete Marge. »Und was ist mit dem Blut?«
    Decker zuckte die Achseln.
    »Was hältst du von folgender Version?« fragte Marge. »Mom und Dad wohnen ganz in der Nähe. Dad erschlägt Mom im Streit, kriegt Panik und setzt das Kind hier aus.«
    »Aber wo sollen Mom und Dad denn wohnen, wenn sie nicht hier wohnen?« wandte Decker ein.
    »Hier in der Gegend gibt’s noch ein paar einzelstehende Ranchen.« Marge blickte in die Berge. »Da hausen wahrscheinlich mehr Squatter, als wir wahrhaben wollen.«
    Decker nickte und sagte: »Könntest du bitte in der Zwischenzeit eine Vermißtenakte über Sally anlegen. Ich treff’ mich jetzt mit meinem Kumpel …«
    »Dem Vergewaltiger.«
    »Mutmaßlichen Vergewaltiger«, sagte Decker. »Gib Sallys Beschreibung und die Fußabdrücke in den Computer. Und setz dich außerdem mit Barry Delferno in Verbindung.«
    Marge streckte die Zunge heraus.
    »Soll ich ihn anrufen?« fragte Decker.
    »Nein, nein, nein. Meine früheren Erfahrungen mit diesem Typ stehen meinen beruflichen Pflichten nicht im Wege.«
    Decker unterdrückte ein Lächeln und sagte: »Ich hab’ gehört, es geht ihm ziemlich gut, seit er sich nicht mehr um Kautionsflüchtige, sondern um gestohlene Kinder kümmert.«
    »Privat fährt er einen metallicblauen Rolls Silver Cloud von 1964«, sagte Marge. »Wir haben den falschen Job.«
    »Yeah, das wissen wir doch schon lange.«
    »Was hast du mit meiner Lady auf der Oak Street vor?«
    »Soll ich mit ihr reden?«
    »Ja. Vielleicht kann ein gestandener Mann wie du sie dazu kriegen, ihm ihr Herz auszuschütten.«
    »Ich kann es jetzt gleich machen oder sie schmoren lassen und morgen wiederkommen. Meiner Meinung nach ist es besser, sie erst mal darüber schlafen zu lassen. Vielleicht hat sie es sich ja bis morgen früh anders überlegt.«
    Marge dachte kurz nach, dann sagte sie: »Okay, laß sie schmoren. Aber nicht zu lange.«
    »Glaubst du, sie hat vor, die Fliege zu machen?«
    Marge schüttelte den Kopf. »Dafür gibt’s keinerlei Anzeichen.«
    »Na schön«, sagte Decker. »Dann machen wir jetzt Schluß. Du fährst.«

4
    Decker stand vor dem Los Angeles County Jail. Es war ein saumäßiger Tag, um in der Vergangenheit zu wühlen – schon drei Uhr, und die Sonne knallte immer noch gnadenlos. Schweiß lief ihm die Stirn hinunter und blieb in Perlen in seinem Schnurrbart hängen. Decker griff in seine Gesäßtasche, zog ein Taschentuch heraus und wischte sich durchs Gesicht. Dann setzte er sich auf die einsame Betonbank, die auf einer Insel aus verbranntem Rasen gestrandet zu sein schien. Obwohl das graue Gefängnisgebäude groß und drohend vor ihm aufragte, warf es nur wenig Schatten. Keine Abkühlung. Er zog sein Jackett aus und sah erneut auf die Uhr.
    Komm raus, du Scheißkerl. Damit wir es hinter uns bringen.
    Er stand auf. Die Bank war heiß. Außerdem war er zu nervös zum Sitzen. Ein Hilfssheriff in Khakisachen ging nickend an ihm vorbei. Decker nickte zurück, nahm eine Zigarette aus seiner Hemdtasche, begann, das Papier abzuschälen, und ließ den Tabak auf die Erde fallen. Siebenunddreißig von vierzig Zigaretten endeten bei ihm täglich auf diese Weise, aber das war besser, als die Scheißdinger zu rauchen.
    Schließlich ging die Glastür auf und Abel Atwater trat in
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