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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua
Autoren: Stewart O'Nan
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gehabt, und sie waren nicht hergekommen.
      «Beide oder bloß Maijorie?»
      «Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie diesen Wagen fährt, oder was meinst du? »
      «Wir müssen mal rübergehen», sagte Arlene.
      Das Haus der Lerners stand zum Verkauf, auch über Mrs. Klinginsmith, und als Emily das Schild sah, war sie enttäuscht. Sie fragte sich, wie viel sie wohl verlangten.
      Rufus war wieder aufgestanden und betrachtete alles.
      «Er weiß Bescheid», sagte Arlene.
      Emily konnte schon einen Teil des Sommerhauses sehen, verdeckt von der großen Kastanie neben der Garage. « Naja», sagte sie, «zumindest ist es nicht abgebrannt.»
      Als sie näher kamen, sah sie die orangen Taglilien rings um den Briefkasten. Aus dem Briefkasten schaute irgendetwas hervor - ein Werbeprospekt in einer Plastikhülle -, und sie dachte, dass es verboten sein sollte, Werbung in den Briefkasten zu stecken, wenn niemand zu Hause ist. Das war eine offene Aufforderung zum Diebstahl.
      Sie bogen auf das Gras, fuhren über herabgefallene Zweige. Das Haus sah gut aus, richtig anheimelnd. Sie hatte den neuen Anstrich noch nicht gesehen, grau mit roten Fensterläden und weißer Einfassung. Kein Wunder, dass die Käufer so viel bezahlten. Zwei neue Stahlbänder hielten den Schornstein zusammen, die alte Fernsehantenne war verschwunden. Sie hatten sogar die Garage gestrichen, das Moos von den Schindeln gekratzt. Es sah besser aus als je zuvor, fast schon künstlich. Sie fragte sich, was Henry wohl dazu gesagt hätte.
      Rufus scharrte am Fenster.
      «Platz», befahl Emily, doch er war zu aufgeregt.
      Arlene hielt an, und Emily ließ ihn raus. Er rannte auf die andere Seite des Hauses, hockte sich hin und blickte über die Schulter. Noch etwas, was sie sauber machen musste. Das Handtuch war voller Haare, ein Büschel in einem Sabberfleck; der Sitz war in Ordnung, obwohl ihn Arlene wortlos mit der Hand abwischte.
      «Ich wasche das Handtuch», sagte Emily und knüllte es zusammen.
      Als Rufus fertig war, kam er zurück, tänzelte um die beiden herum, als wollte er, dass sie ihm folgten, und rannte dann geradewegs zum Steg. Arlene schenkte ihm keine Beachtung und öffnete die Heckklappe.
      «Lass uns erst mal die Lebensmittel reinbringen», sagte Emily. Sie fand die Schlüssel, drehte den glänzendsten in der Küchentür, hakte den ölverschmierten Arm der Fliegentür fest, damit sie offen blieb. Drinnen roch es muffig wie in einem Treppenhaus. Emily sah die Schlüssel durch (alle mit Aufklebern in Henrys sauberer Handschrift versehen) und ging wieder nach draußen, um das Wasser anzustellen.
      Die Spinnen waren fleißig gewesen, waren fett wie Boviste, ihre Netze verziert mit Mücken, gesprenkelt mit baumwollartigen Eierkokons. Über den Reglern hing ein feuchter Zettel mit Anweisungen an der Wand, die Henry für Kenneth aufgeschrieben hatte. Sie drückte auf den Schalter, und die Pumpe sprang ächzend an. Das Wasser hier war weich und stank nach Schwefel. Es rief ihr ins Gedächtnis, wie sie vor dreißig, nein, fast vierzig Jahren, als die Kinder noch klein waren, im See geschwommen waren und die Badesachen hinterm Haus an die Leine gehängt hatten. All diese Sommer waren längst vorbei, doch wie genau konnte sie sich - erst in diesem Moment - daran erinnern. Sie wollte sie noch einmal durchleben, diese langen Augusttage, die Krocket- und Wiffleballspiele und die Lagerfeuer, das Wasserskifahren. Vermutlich kamen sie deshalb jedes Jahr her, wegen dieses Gefühls von Ewigkeit und von Zuflucht.
      Sie schloss das Pumpenhaus hinter sich ab. Auf dem Weg zur Garage rutschte sie auf einer bemoosten Steinplatte aus und wäre fast gestürzt. «Wie dumm», sagte sie. Jedes Jahr vergaß sie, wie tückisch die Steinplatten waren. Man sollte meinen, dass sie irgendwann mal dran denken würde.
      Niemand hatte die Garage aufgeräumt. Henrys Plunder lag überall herum: Bierkartons und Körbe, Kühlboxen und Eimer, seine Angelausrüstung, Benzinkanister für das Boot, Risten voll staubiger Iron City- und Genesee-Flaschen, ein stählerner Abfalleimer voll Feuerholz. An der hinteren Wand hingen ein schlaffes Rettungsfloß und drei Barbusige-Meeijungfrauen-Fender, die Kenneth als Jugendlichen immer verlegen gemacht hatten. Durch das trübe Fenster auf der Rückseite sah sie Rufus ganz am Ende des Stegs. Am liebsten hätte sie sich zu ihm gesetzt, doch Henrys Werkbank fesselte ihre Aufmerksamkeit.
      Auf einer
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