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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua
Autoren: Stewart O'Nan
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genau, ob die Fotos etwas taugten oder ob Morgan enttäuscht sein würde. Ken hatte alle vierzig Filme verknipst, bei dem Wetter eigentlich eine ganze Menge. Er hatte die Holga ausprobiert, auch wenn er nicht an sie glaubte, und hatte mit der Nikon die gesamte Garage fotografiert.
      Er war nicht mit Sam angeln gewesen, das bereute er. Vielleicht konnten sie mal ein Wochenende angeln gehen, wenn sie wieder zu Hause waren. Das Angelzeug seines Vaters lag hinten bei seinen Golfschlägern.
      Im Spiegel sah er, dass Ella mit offenem Mund seitlich an der Kühlbox lehnte. Sam hatte seit ihrer Abfahrt ohne Unterbrechung mit seinem Game Boy gespielt. Schließlich schaltete er ihn aus und kuschelte sich in seinen Schlafsack. Ken stellte den Tempomat auf hundertzwanzig ein, zwanzig Kilometer über der Geschwindigkeitsbegrenzung, aber nicht so schnell, dass er Aufmerksamkeit erregte. Im CD-Spieler lief leise Bill Evans, die Klimaanlage stand auf niedriger Stufe, und während sie die Kilometer abspulten, fühlte er sich behaglich zwischen den beiden Welten von Urlaub und Zuhause, zufrieden, dass die eine hinter ihm lag, und genauso froh, dass er mit der anderen noch nicht loslegen musste. Er fühlte sich leicht, empfand es als Glück, im Innern dieses Zeitpolsters zu sein, als wäre er nochmal ungeschoren davongekommen. Und das war er auch - waren sie. Sie hatten es wieder mal überstanden.
     
     
* 8
     
    Die Stadt war noch da, unverändert, die Türme in der Innenstadt erhoben sich am anderen Ufer wie eine Mauer. Emily konnte nicht sehen, was das neue Stadion machte, doch die Pirates spielten in Three Rivers, die Fähren lagen am diesseitigen Ufer. Emily hatte zu ihrer McDonald's-Mahlzeit einen Kaffee getrunken, und das Wasser rief ihr ihre Blase ins Gedächtnis. Sie lenkte sich mit der Bayer-Uhr und der Incline ab und entdeckte an dem Hang zwei rote Wagen, die aneinander vorbeifuhren, einer nach unten, einer nach oben. Sie wusste nicht mehr, wann sie zum letzten Mal damit gefahren war - zusammen mit Henry, ein Hochzeitstagsessen im Le Mont oder im Tin Angel, doch sie hatte keinen Schimmer, in welchem Jahr, vielleicht irgendwann in den Achtzigern.
      Sie fuhren die Allee unten am Mon entlang und dann durch Oakland, an den Krankenhäusern und der Bibliothek vorbei, die Straßen bei dieser Hitze menschenleer.
      «Wie soll diese Woche das Wetter werden?», fragte sie.
      «Keine Ahnung», antwortete Arlene. «Was macht Rufus?»
      Er hatte seinen Sitz verloren, weil sie so viel Plunder dabeihatten. Er lag zusammengekugelt neben dem Fernseher auf seinem Handtuch, den Kopf an den Schwanz geschmiegt, als würde er frieren.
      «Dem geht's gut.»
      Sie dachte, dass sie nicht mehr viel Hundefutter hatte, und hoffte, dass in der Waschküche noch eine frische Tüte stand. Es spielte keine Rolle. Sie musste sowieso in den Laden.
      «Bist du sicher, dass mit der Kommode alles klargeht?», fragte sie.
      «Ich trag sie jedenfalls nicht. Dafür wird er schließlich bezahlt. Er hat bestimmt eine Sackkarre.»
      Das klang nicht überzeugend, doch Emily ließ es dabei bewenden. Sie hatte ihre Hilfe angeboten, mehr konnte sie nicht tun.
      Von hier konnte sie die Ampeln zählen. In der Woche, die sie weg gewesen war, hatte das Viertel sich nicht verändert. Es hatte nicht geregnet - die Rasenflächen waren noch immer verbrannt, die Rosen voll aufgeblüht. Jede Veranda, jede Platane war ihr vertraut, und sie merkte, wie ihre Erwartung stieg, als würde jemand auf sie warten.
      Als sie in die Grafton Street bogen, sah sie, dass mit dem Haus alles in Ordnung war. Rufus wusste Bescheid und hob hechelnd den Kopf.
      «Dawären wir», sagte sie. «Daheim, daheim in meiner stillen Klause.»
      Ihr Hausschlüssel war in der Handtasche. Sie hatte ihn schon hervorgeholt, bevor Arlene parkte.
      «Danke fürs Fahren.»
      «Danke für die Möbel.»
      Sie war überrascht, wie heiß es war - sie dachte, dass Chautauqua sie verwöhnt hatte. Ihre ersten Schritte waren ganz steif, weil sie so lange gesessen hatte. Rufus musste den Rasen wässern, und sie spürte den Kaffee. Sie schloss auf, während Arlene die Heckklappe öffnete.
      Drinnen war es dunkel, ein schummriges Licht sickerte durch die Vorhänge, die Luft war schlecht und stickig. Wahrscheinlich war der Lufttrockner voll. Sie hatte keine Zeit, um nachzusehen. Sie stellte ihre Handtasche auf den Tisch in der Diele, schloss die Badezimmertür und setzte
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