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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua
Autoren: Stewart O'Nan
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Poker-Blätter waren über die mausbraune Tischplatte gegangen, wie viele Getränke darauf verschüttet worden?
      «Wir haben keinen Platz mehr», sagte Emily. «Und außerdem finde ich, er hat seine Schuldigkeit getan.»
      Rufus hatten sie nach draußen gescheucht, weil er ständig im Weg war, und als sie von einem Zimmer ins andere gingen und alle Stecker rauszogen, war es still im Haus. Das Radio und der Anrufbeantworter kamen mit und warteten, beide mit ihren eigenen Schnüren gefesselt, auf dem Sofa. Ein paar von den Fenstern klemmten wegen der Feuchtigkeit. Arlene fand einen Holzhammer in der Garage, umhüllte seinen Kopf mit einem Geschirrtuch und klopfte so behutsam gegen die Fensterrahmen, dass die Scheiben nicht zerbrachen. Oben verriegelte sie die Klappe für den Ventilator, damit keine Eichhörnchen reinkommen konnten. Sie erinnerte sich noch, wie Henry wegen der Kinder die Kommode gestrichen hatte. Die Liege stammte aus ihrem Gästezimmer zu Hause; als Kind war sie ständig ermahnt worden, nicht drauf herumzuspringen wie auf einem Trampolin. Sie konnte kaum glauben, dass sie so viel zurückließen. Am liebsten hätte sie auch das Toilettenpapier, den Papierkorb und die mattierten Deckenlampen mitgenommen.
      «Was ist mit dem Wasser?», fragte sie unten.
      «Ich glaube, das sollen wir anlassen.»
      Richtig, der Reinigungsdienst. Daran hatte sie nicht gedacht. «Was ist sonst noch zu tun ? »
      «Das ist es so ziemlich. Wir müssen bloß noch die Lebensmittel rausbringen und abschließen.»
      «Ist die Garage abgeschlossen?»
      «Mache ich gleich.»
      «Was ist mit dem Kamin, hat Kenneth ihn verschlossen?»
      «Das ist alles erledigt», sagte Emily. «Warum bringst du nicht die Kühlbox ins Auto, wenn du hier drin fertig bist?»
      Doch sie war noch nicht fertig. Sie musste eine letzte Runde durchs Erdgeschoss machen und schnappte sich eine Schachtel Papiertücher und eine Nussschale aus Kirschholz vom Kaminsims. Dafür musste noch Platz sein.
      «Das reicht», sagte Emily, drängte sie zur Küchentür hinaus und schloss hinter ihnen ab.
      Rufus wartete schon und schlug mit dem Schwanz, als könnten sie ihn vergessen.
      «Keine Sorge», sagte Emily. «Du kannst auf dem Dach mitfahren.»
      Während Emily die Garage und das Pumpenhaus abschloss, ging Arlene über den Rasen zum Wasser. Draußen auf dem See herrschte der übliche Samstagsbetrieb, und Rennboote rasten hin und her, doch hier im Schatten war es ruhig, nur ein sanftes Schwappen. Die Steine auf dem Grund hatten die Farbe von Tee, dann der glatte graue Schlamm, ein paar grasartige Pflanzen, die sich der Wasseroberfläche entgegenreckten. Sie setzte sich auf die Bank, streifte die Schuhe ab, krempelte die Hose hoch und watete, die Arme ausgestreckt wie ein Kind, ins seichte Wasser, und wie das Mädchen, dessen Familie vor dem Krieg jedes Jahr hier gewesen war, versprach sie dem See, dass sie wiederkommen würde.
     
     
* 7
     
    Den ganzen Morgen fuhren sie in die Sonne. Auf dem Weg von Jamestown nach Corning gab es überhaupt nichts, und Ken war froh, dass sie genug Benzin hatten. Die Landschaft konnte man getrost vergessen; er kam sich irgendwie illoyal vor, als würde er für immer entfliehen und sich von dem Gewirr aus Eifersucht und Gekränktsein befreien. Er warf sich vor, bekommen zu haben, was er wollte, zu glatt davongekommen zu sein. Zu Hause, wieder in ihrem eigenen Bett, würde er Lise dafür danken, dass sie es mit ihnen aushielt, ein weiterer, notwendiger Verrat.
      PFLUGREPARATUREN JEGLICHER ART, verkündete ein Schild an einem Zaun. Die Straße schlängelte und senkte sich mit den Hügeln, vorbei an Kühen, die unter krüppeligen Bäumen herumlagen, an Wohnwagen mit Schmutzschleusen aus Sperrholz und gebrauchten Reifen auf dem Dach - nachgemachter Walker Evans. Lise lieh sich von Ella ein Kissen und schlief ein. Ab und zu wachte sie mit zerknittertem Gesicht auf und fragte, ob alles in Ordnung sei.
      «Mir geht's gut», sagte er. «Ruh dich aus.»
      Sie verpasste die Ausfahrt nach Steamburg und Onoville und das Schild, das sie beim Volk der Seneca begrüßte. Der Allegany-Stausee war höher als auf der Hinfahrt, die Schlammflächen und die gestrandeten Baumstämme mit Wasser bedeckt. Es schien länger als eine Woche her zu sein. Tracy Ann Caler wurde erst seit sechs Tagen vermisst. Er konnte im Internet nachsehen, ob es irgendwelche Neuigkeiten über sie gab.
      Er wusste nicht
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