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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua
Autoren: Stewart O'Nan
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Zauberring, durch den sie ihre Gedanken an Sarah schicken und, egal, wo Sarah war, spüren könnte, was sie gerade empfand, müsste dazu bloß ihren Ring berühren.
      Die Art, wie sie sich gegenseitig vermissen würden, war verschieden. Für Sarah war sie bloß ihre Cousine.
      Sie streifte den dünnen Ring ab, sodass ihre Hand nackt war, und drückte ihn in ihre Fingerspitzen. Sie drehte ihn, bis er wie ein O aussah, betrachtete durch das Loch ihr knochiges Knie, ein weiterer Beweis, dass sie sich etwas vormachte.
      «Ella», brüllte ihr Vater die Treppe rauf. «Komm, Süße, wir fahren.»
      Sie wollte nicht gehen, aber sie wollte auch nicht, dass er raufkam, steckte ihren Ring wieder an den Finger und stand auf. Sie warf einen letzten Blick auf alles - auf die schrägen Decken und das Fenster am Ende, die Betten, die Kommode, den Teppich. Sie hatte geglaubt, es würde einfacher sein, wenn sie hier bleiben könnte, statt nach Hause zu fahren, aber jetzt begriff sie, dass es egal war. Es würde überall schlimm sein.
      «Ella!»
      «Augenblick!», rief sie. «Ich komm schon.»
     
     
* 5
     
    «Ich hab meinen Zedreipeo vergessen», sagte Justin.
      «Deinen was?», fragte Meg, drehte das Radio leiser und lehnte sich zurück, um ihn besser hören zu können.
      «Meinen C-3PO, den ich auf dem Flohmarkt gekauft hab.»
      «Tja, mein Lieber, wir können nicht nochmal umkehren. Tut mir Leid. Vielleicht denkt ja Sam dran.»
      «Der denkt mit Sicherheit dran», sagte Sarah.
      «Hör auf, das ist nicht nett.»
      «Es stimmt aber.»
      «Es stimmt nicht, und du solltest nicht so nachtragend sein. Wir sind alle nicht so perfekt wie du.»
      «Was denn?», fragte Justin verwirrt.
      «Nichts», sagte Meg, und Sarah wandte empört den Blick ab. «Ich rufe Onkel Ken heute Abend an und frage, ob sie ihn haben, okay?»
      Es war okay - musste okay sein -, und Meg drehte das Radio wieder lauter und beobachtete, wie die Autos vor ihr die Spur wechselten, wegen der Ausfahrt bremsten, wo schon eine Schlange stand und alle rechts blinkten.
      «Da ist bestimmt was im Institut los», sagte sie, doch die Kinder zeigten kein Interesse.
      Sie schwenkte auf die linke Spur, glitt vorbei und hatte freie Fahrt. Sie blickte auf den Tacho, fuhr gleichbleibend hundertzehn. Die Straße war hier neu asphaltiert, und Meg musste darauf achten, dass sie nicht zu schnell fuhr. Der Mittelstreifen war voller Bäume, hinter denen sich gern Polizisten versteckten.
      Die 17 war der gemütliche Teil der Fahrt - sobald sie auf die 90 kamen, würde es nur so von Lastwagen wimmeln. Hier konnte sie ihre Gedanken über die Milchfarmen schweifen lassen oder mit dem Blick einem Habicht folgen, und ihre Hände hielten den Bus unwillkürlich auf ihrer Spur. Sie brauchte die Zeit, um nachzudenken. Die Woche war nicht so ein Albtraum gewesen, wie sie befürchtet hatte. Sie hatte sogar mit ihrer Mutter reden können - noch immer war Meg erschüttert, wie verständnisvoll Emily gewesen war. Bei Ken und Arlene wusste sie, dass sie sie unterstützten, aber sie konnte sich nicht erinnern, schon mal so viel Zeit mit Lise verbracht zu haben, und fand, dass sie sich näher gekommen waren. Es war ein seltsames Gefühl, nicht mehr bei ihnen zu sein, als würde sie erst jetzt erkennen, wie viel sie ihr bedeuteten - wie mein Leben, hätte sie fast gesagt, traute dem Gefühl aber nicht. Sie waren ihre Familie, das genügte.
      «Guckt mal», sagte sie und drehte das Radio leiser, weil sie an einem Schild mit der Aufschrift vorbeifuhren, sie seien jetzt auf der INTERSTATE 86/OLD 17.
      «Die Old 17», sagte sie, doch sie kapierten es nicht. «Die haben sie gerade erst gebaut. Könnt ihr euch noch an die ganzen Planierraupen letztes Jahr und die großen Lastwagen erinnern?»
      «Ojaa», sagte Justin.
      «Das war vor zwei Jahren», widersprach Sarah. «Letztes Jahr war's schon so.»
      «Tatsächlich?»
      «LetztesJahr hatte dieser Winnebago einen Platten.»
      «Wieso weißt du das noch?»
      Ihnen war so langweilig, dass sie sich miteinander unterhielten, und Meg dachte, das sollte sie besser ausnutzen. Sie schaltete das Radio aus.
      «Okay», sagte sie, «wer hat Lust auf ein Spiel?»
     
     
* 6
     
    Arlene hatte Recht, das Puzzle würde unvollendet bleiben, und als sie es eingeräumt und aufs Regal gestellt hatte, gab es das Problem mit dem Spieltisch. Wie viele Bridge-, Michigan Rummy- und Penny
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