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Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)

Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)

Titel: Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)
Autoren: Ralf Boscher
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sah meinen Vater die Schaufel heben, an der scharfen Kante ihres Blattes Haare, Fell und auch ein wenig blutiges Fleisch kleben, sah meinen Hund liegen auf dem Boden seines Zwinger, dahingestreckt in einer Lache aus Blut, kaum mehr zu erkennen die ursprüngliche Färbung seines Felles, und sein Winseln verstummte in einem feinen Strom von Blut und Speichel. Vater schrie mittlerweile nicht mehr, stumm tat er, was er meinte, tun zu müssen, mein Opa rollte neben mich: »Jung...!«, sagte er noch, dann sah er, und auch er blieb stumm. So war es mit einem Mal still, nur Vaters schwerer Atem war noch zu vernehmen, außerdem war da dieses leicht schmatzende Geräusch seiner Schuhe auf dem nassen Boden, als er sein Gewicht verlagerte, um nun zuzuschlagen, mit all seiner Kraft zuzuschlagen, obwohl der Gefährte meiner Kinderjahre schon blutüberströmt, wehrlos, sterbend dalag. Einer seiner Läufe, fast zur Gänze abgetrennt, lag widersinnig verdreht in Richtung seines Kopfes. Und dann schlug mein Vater zu, traf die Schnauze meines Hundes mit der flachen Seite der schweren Schüppe, ich hörte den Kiefer splittern und ein breiiges Geräusch, das war die Nase, diese feine, kühle Nase, die mich so oft freundlich angestupft hatte. Ich konnte es nicht fassen. Erkannte meinen Vater nicht wieder. Konnte kaum mehr in der von ihm zerstörten Kreatur auf dem Boden meinen Hund erkennen. Doch mein Vater hatte noch nicht genug. War es das, was man Blutrausch nennt? Denn wieder hob er seine Arme, drehte den Stiel der Schaufel dabei leicht in seinen Händen, auf dass nun die scharfe Seite des Blattes in Schlagrichtung zeigte. Breitbeinig stand er da, Scharfrichterpose, aber keine Maske bedeckte sein Gesicht, dachte nicht daran, sich zu verstecken, dies hier war sein Grund und Boden, und also holte er tief Luft, die Sonne brach sich in einem Stückchen sauber gebliebenen Metalls, irgendwo krächzte ein Rabe, als plötzlich mein Hund langsam mit letzter Kraft seinen zerschundenen Kopf zu mir drehte und mich aus seinen großen, braunen, feuchten Augen auf eine solch’ schmerzlich-fragende Weise anblickte, dass mir schier das Herz zu brechen schien. Der Schmerz brannte in jeder Faser meines kleinen Körpers, Tränen schossen mir in die Augen. Wollte schreien. Nein! wollte ich schreien. Nein! Nein! Aber kein Ton kam über meine Lippen, konnte nur stumm einige kraftlose Schritte auf meinen Freund zutaumeln. Streckte meine zitternden Hände nach ihm aus und war mir doch schmerzhaft bewusst, dass es vorbei war, dass meine Reaktion zu spät für ihn kam, viel zu spät, und so sank der Kopf meines Hundes zu Boden, ohne dass ich ihn noch ein letztes Mal umarmt hätte. Im gleichen Moment ließ mein Vater den Stahl auf den Hals meines Hundes niedersausen, trennte Kopf von Rumpf, und trennte damit meinen Gefährten so vieler Jahre endgültig vom Leben, von meinem Leben ab.
    » So!«, meinte mein Vater dann, »Das dafür!«, und lehnte die Schüppe sorgfältig an die Wand, befahl mir noch, den Opa hineinzufahren und stapfte an uns vorbei ins Haus. Tränen sah ich keine mehr in seinen Augen, meine Tränen beachtete er nicht, nur Opa bemerkte meinen Schmerz: »Komm Junge, bring’ mich rein«, sagte er nur und drückte dabei fest meine Hand. Auch ihm war das Geschehene so nah gegangen, dass ihm keine seiner üblichen Lebensweisheiten einfielen. Denn er war es gewesen, der mir Jahre vor diesem schrecklichen Tag das winzige, lebhafte Büschel Haare geschenkt hatte. Opa war es gewesen, der mir alles beigebracht hatte, was man zur Hundehaltung wissen muss. Hatte viel Zeit mit mir und meinem Hund verbracht, mir gezeigt, wie ich es machen musste, dass Hasso aufs Wort gehorcht, Respekt vor mir hat, aber keine Angst. All die kleinen Feinheiten der Dressur. Bei-Fuß-Gehen. Stöckchen-Holen. Auf Befehl, den Jagdinstinkten auf freiem Feld ihren Lauf lassen, den Hasen stellen, ohne ihn tot zu beißen, die Fänge um den Hals der Beute schließen und stillhalten, ausharren, obwohl des Hasen Blut verlockend pocht, und erst auf Befehl zu beißen. War es also ein Wunder, dass das Geschehene auch meinem Opa nahe ging?
     
    4.
     
    Nach diesem Tag war die Stimmung zwischen meinen Eltern nachhaltig getrübt. Zu oft hatte sich Mutter über das defekte Schloss des Hundezwingers beschwert, zu oft hatte Vater versprochen, es gleich morgen zu reparieren, als dass die beiden noch jemals wieder hätten miteinander froh werden können. Denn die Untersuchung ergab, dass es bei dem
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