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Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)

Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)

Titel: Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)
Autoren: Ralf Boscher
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dich an die pure Kraft in deinem Inneren, sie wird sich schon die passende Form suchen. Wenn du ihr nur freien Lauf lässt!«
    Kaum hatte er diese Worte gesprochen, da begann Er lauthals loszulachen, und zu meiner Überraschung und zu meiner Erbauung explodierte Er, so dass unter einem höllischen Lärm und Gelächter sich windende, regenbogenfarbene Teile Seiner selbst in alle Himmelsrichtungen flogen, in Schwärze verglühten oder als bunte Schlangen, Würmer, Skorpione über den Boden meines jäh wieder vorhandenen Hotelzimmers davon flimmerten.
    Dann war auf einen Schlag alles vorbei. Ich war wieder alleine. Meine Aufzeichnungen lagen aufgeschlagen auf dem Schreibtisch. Noch ein wenig benommen, aber in höchstem Maße glücklich und von einer tiefen Ruhe beseelt, nahm ich auf dem Stuhl vor ihnen Platz. Ein bestimmtes Bild glühte in meinem Kopf noch nach: Kurz bevor Satan in diesem gigantischen Spektakel verschwunden war, glaubte ich an Seinem Körper eines von Opas Augen aufblitzen zu sehen und etwa in Hüfthöhe auch seinen Mund, er grinste schelmisch, und ich konnte hören, was er rief: »Was für’n Theater! Ich sag’ ja, nicht nur sentimental, sondern auch eitel, der Herr! Ganz wie der Sohn!«
    Dann sah ich, dass meine Aufzeichnungen auf jener Seite aufgeschlagen waren, auf der ich schilderte, wie ich in der Sonne auf der Treppe vor meiner Wohnung saß und der Lesung entgegen fieberte. Ein Wink mit dem Zaunfall, der mich an Opas Worte denken ließ, das ihn von allem, was ich ignoriert hatte, mein Schweigen über die Lesung persönlich am meistens getroffen hätte. Ich musste lächeln, erfasste ich nach all dem doch endlich die Bedeutung seiner Worte. Schließlich war es seine Truhe gewesen, aus der ich mich so großzügig bedient hatte, um Blut und Tränen zu säen, sein Vermächtnis an mich. »Eitel wie Vater und Sohn, der Opa!«, rief ich lachend in die Stille meines Hotelzimmers hinein. Aber er hatte recht. Ich war es Opa schuldig, dass ich seine Rolle in meinem Leben gebührend herausstellte.
    Bis in die Zehenspitzen mit neuer Energie angefüllt, machte ich mich also sofort daran, meine Lesung zu Papier zu bringen. Ich schrieb noch, als am Montagmorgen meine Zimmerwirtin an die Tür klopfte. Dass ich an jenem Morgen hätte ausziehen sollen, hatte ich in all der Aufregung vergessen. Und ich wollte dieses Zimmer immer noch nicht verlassen. Natürlich aus anderen Gründen als wenige Stunden zuvor. Mit all seinen Erinnerungen an Opa und Vater empfand ich diesen Raum einfach als sehr inspirierend.
    Aber wie sich herausstellte, konnte ich dort wohnen bleiben. Denn die gute Frau teilte mir mit, dass die Reservierung für mein Zimmer storniert worden sei, der Herr, der hier hätte wohnen sollen, wäre auf dem Wege nach Konstanz mit dem Auto verunglückt. Mal ein Unfall, der mir gelegen kam und bei dem ich meine Finger nicht im Spiel hatte. Auch eine interessante Erfahrung.
     

Zehntes Kapitel
    Ende gut, alles gut
     
    1.
     
    Es war ein herrlicher Sonntagsommertag, ich saß rauchend auf der Treppe vor der Haustür. Endlich hatte ich wieder das Gefühl, dass die Dinge in ihrem richtigen Verhältnis zueinanderstehen, ich spürte den Bogen der Harmonie zwischen mir und dem lichtdurchfluteten Himmel, die Stunde meiner Lesung war gekommen. Lächelnd drückte ich die Zigarette auf den Steinstufen aus, setzte mir meinen Hut auf den Kopf und machte mich auf den Weg ‘gen Elberfeld. Davy’s on the road again dröhnte aus meinem Kassettenrekorder. Ich fuhr bei offenem Fenster, hielt den linken Arm in die Sonne, in den Wind hinaus. Auf der B7 war kaum Verkehr, halb Wuppertal war wohl an der Bever oder in einem der Freibäder. Sollen sie ruhig, dachte ich, solange von der anderen Hälfte genügend zu meiner Lesung kommen. Auf dem Beifahrersitz flatterten die Seiten meines Romans, die ich vorlesen würde. Wäre doch gelacht, dachte ich, wenn ich nicht den Erfolg hätte, der mir zusteht.
    An der Kneipe angekommen, blieb ich zunächst einige Minuten irritiert im Auto sitzen. Der Parkplatz war leer. Hatte ich mich im Datum vertan? Das konnte aber wohl kaum sein, dachte ich. Nicht bei einem so wichtigen Tag. Dann stieg ich aus. Sicherlich hatten die meisten bei dem schönen Wetter ihr Auto stehen gelassen und waren, unterwegs noch ein Eis essend, zu Fuß gekommen. Außerdem war ich auch ein wenig zu früh dran. Also nur ruhig Blut. Der Erfolg ist mit dem Tüchtigen. Und ich hatte alles getan, damit dieser Nachmittag zu
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