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Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)

Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)

Titel: Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)
Autoren: Ralf Boscher
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auf Lili. Mein Kollege rief plötzlich aus: Scheißfrauen! Was zwar keinen Zusammenhang mit dem hatte, was ich las, aber mir, mit Blick auf Lili, die lächelnd diesem Mann zuhörte, der ihr irgendetwas ins Ohr sagte, durchaus aus der Seele gesprochen war. Dann war meine Flasche leer, und ich signalisierte meinem Chef, dass ich mehr Rotwein wollte. Der aber übersah meine Geste, weil er in sein Handy sprach. Scheißfrauen!, rief mein Kollege, und: Hat mal einer eine Zigarette? Nun klingelte das Handy von diesem Typ. Er verließ den Raum, warf meinem Kollegen im Vorbeigehen eine Zigarette auf den Tisch. Lili lächelte. Ich aber las weiter. Dann rückte mein Kollege mit dem Stuhl näher an Lilis Tisch heran. Hast’ mal Feuer? Willst’ auch ‘nen Tequila? In diesem Augenblick kam mein Chef hinzu. Ohne eine neue Rotweinflasche. Sollen wir diese traurige Angelegenheit nicht abbrechen, meinte er zu mir, aber so laut, dass die anderen es hören konnten, dann zu Lili und meinem Kollegen: Oder möchte noch jemand mehr hören? Lili schüttelte nur stumm den Kopf, mein Kollege klopfte mit seinem Glas auf den Tisch: Mehr Tequila, noch zwei! Ich las weiter. Mein Chef zuckte mit den Schultern, ging zurück zur Theke und seinem Pils. Der Typ kam zurück, sagte Lili was ins Ohr. Nun klingelte das Handy von meinem Chef. Der Typ küsste Lili auf die Wange und ging. Mein Kollege rückte mit seinem Stuhl noch näher an Lili heran. War das dein Freund?
    Was mir den Rest gab, war eine der älteren Damen, die wenig später zurückkehrte: Entschuldigen Sie bitte, ich habe nur meine Handtasche vergessen. Und mein Chef, der sein Telefonat unterbrach und rief: Macht doch nichts! Dann sagte die Dame noch zu mir: Sie sollten sich schämen, heute am Tag des Herrn, so etwas von schämen! Dann flüstere sie noch, als solle dies niemand außer mir hören: Aber der Hut steht ihnen gut. Ich wusste zwarnicht, was ich stattdessen hätte tun können, aber lesen konnte ich nun auch nicht mehr. Ich brach mitten in einem Satz ab. Was hätte ich für einen Rotwein gegeben. Oder auch einen Tequila. Mein Chef kam zur Bühne. War’s das? Oder zwei Tequila. Ich trat ab von der Bühne. » Ja, das war’s!«Mein Kollege klatschte in die Hände und rief: Bravo! Lili kam zu mir und sagte nur: Wohl nicht dein Tag heute! Dann reichte sie mir eine Karte, auf deren Vorderseite Dürers betende Hände gedruckt waren. Bist du deswegen gekommen?, fragte ich fassungslos, aber bevor sie antworten konnte, kam der Midlife-Crisis -Typ durch die Tür, murmelte eine Entschuldigung und zog Lili, die nun wieder lächelte, von mir weg. Mein Chef trat mit zwei Tüten in den Händen zu mir. Er hatte meine Manuskripte schon vom Tisch weggeräumt und eingepackt.
    Lili stand noch mit dem Typ am Tresen und redete, als ich ohne ein weiteres Wort die Kneipe mit den zwei Tüten in der Hand verließ. Unschlüssig, was es nun zu tun galt, blieb ich einige Zigaretten lang im Auto sitzen. Nach Manfred Mann war mir jedenfalls nicht. Ich legte meine Doors -Cassette ein, warf die Karte, welche mitteilte, wann Carmens Beerdigung wäre, aus dem Fenster, und fuhr ein wenig durch Wuppertal, die B7 talab-, talaufwärts. Dann wusste ich plötzlich, was es zu tun galt und beeilte mich, nach Hause zu kommen.  
     
    2.
     
    Das Auto ließ ich mit laufendem Motor vor der Tür stehen. Die Einkaufstüten warf ich auf mein Bett. Ich brauchte nur ein paar Minuten, um die Dinge, die ich benötigte, aus Opas Kiste zu holen. Packte noch eine Holzlatte dazu und eine Sprühdose mit Autolack. Weil ich unterwegs noch ein paar Anrufe zu erledigen hatte, kehrte ich auf Umwegen zur Kneipe zurück, eine knappe Stunde nachdem ich die größte Schmach meines Lebens hatte einstecken müssen.
    Nun, wie heißt es so schön, wer einstecken kann, kann auch austeilen. Opa sei Dank, und wie ich austeilen würde. Ich dachte während der Fahrt daran, wie Opa mir mit Zuckerrüben den richtigen Umgang mit Handgranaten gezeigt hatte. Glaube mal, dass die losgehen, wie eine Eins! hatte er stolz gesagt an jenem lang zurückliegenden, unbeschwerten Tag meiner Kindheit. Und wie ich daran glaubte. Ich strich über die kühlen Metallkugeln auf dem Beifahrersitz, jede einzeln griffbereit befestigt an einer alten Wehrmachtweste. Ein wenig wehmütig hing ich dem Gedanken nach, dass Opa mir damals auch das Schießen hatte beibringen wollen. Und wie man richtig mit dem Bajonett umgeht. Da hatte uns sein Tod einen Strich durch die Rechnung
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