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Abraham Lincoln - Vampirjäger

Abraham Lincoln - Vampirjäger

Titel: Abraham Lincoln - Vampirjäger
Autoren: Seth Grahame-Smith
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haben, brauchen Sie nicht, prahlte das sonnenverblichene Schild im Schaufenster. Und wenn Sie es doch benötigen sollten, bestellen wir es für Sie. Drinnen, zwischen Schachbrettmuster-Linoleum und dem ungnädigen Licht der Neonröhren, fand sich in Boxen sortiert jeder nur erdenkliche Krimskrams. Die Preise wurden mit Graphitfettstift angeschrieben. Kreditkarten widerwillig akzeptiert. Dieser Laden war mein Zuhause von halb neun Uhr morgens bis halb sechs Uhr abends. Sechs Tage die Woche. Jede Woche.
    Ich hatte immer gewusst, dass ich nach dem Abschluss als Verkäufer enden würde, wie schon jeden Sommer, seit ich fünfzehn Jahre alt war. Streng genommen gehörte ich zwar nicht zur Familie, aber Jan und Al hatten mich immer wie eins ihrer eigenen Kinder behandelt, mir einen Job gegeben, als ich ihn am dringendsten brauchte, und mir sogar etwas Taschengeld bezahlt, wenn ich Schule hatte und nicht arbeiten konnte. So wie ich das sah, schuldete ich ihnen sechs ganze Monate, von Juni bis Weihnachten. Das war der Plan. Sechs Monate tagsüber im Laden arbeiten und nachts und am Wochenende an meinem Roman basteln. Genug Zeit, um den ersten Entwurf hinzubekommen und ihn einmal gründlich zu überarbeiten. Manhattan war nur eineinhalb Stunden mit dem Zug entfernt, und dorthin würde ich fahren, wenn ich damit fertig war, mit einer zwei bis drei Kilo schweren, korrigierten Chance unter dem Arm, die ich unaufgefordert einreichen wollte. Tschüss, Hudson Valley. Hallo, Lesereise.
    Neun Jahre später arbeitete ich noch immer im Laden.
    Irgendwo zwischen heiraten, einen Verkehrsunfall überleben, ein Kind bekommen, das Schreiben aufgeben, ein halbes Dutzend anderer Romane anfangen und wieder verwerfen, noch ein Kind bekommen und mit Ach und Krach Rechnungen bezahlen war etwas völlig Unerwartetes, für mich aber leider deprimierend Typisches geschehen. Ich hatte aufgehört, mir etwas aus dem Schreiben zu machen, und angefangen, mich für alles andere zu interessieren: die Kinder, die Hochzeit, die Hypothek, den Laden. Ich schäumte jedes Mal vor Wut, wenn ich sah, dass Einheimische in der großen Drogeriekette am anderen Ende der Straße einkaufen gingen. Also besorgte ich einen Computer, um die Inventur zu vereinfachen. Im Wesentlichen suchte ich nach neuen Wegen, Kunden über die Schwelle zu locken. Als das Antiquariat in Red Hook zumachte, kaufte ich einen Teil seiner Bestände auf und stellte ein Regal mit Leihbüchern in der hinteren Ladenecke auf. Ich veranstaltete Tombolas, Ausverkäufe, richtete einen WLAN -Hotspot ein. Alles nur, um die Leute in den Laden zu locken. Jedes Jahr versuchte ich etwas Neues, und jedes Jahr kamen wir gerade so über die Runden.
    Henry 1 kaufte bereits seit etwa einem Jahr bei uns ein, ehe wir das erste Mal ins Gespräch kamen. Wir hatten vorher schon die üblichen Höflichkeitsfloskeln ausgetauscht, aber nicht mehr. »Schönen Tag noch.« – »Bis zum nächsten Mal.« Ich kannte seinen Namen nur, weil er mir über den Klatsch auf der Market Street zu Ohren gekommen war. Er hatte eines der größeren Häuser in der Nähe der Route 9G gekauft und eine ganze Armee hiesiger Handwerker engagiert, die es für ihn in Schuss brachten. Er war etwas jünger als ich, vielleicht siebenundzwanzig, hatte unordentliches, schwarzes Haar, war das ganze Jahr über braungebrannt und verfügte über eine passende Sonnenbrille für jede Gelegenheit. Man sah ihm an, dass er Geld hatte. Seine Klamotten posaunten es geradezu heraus: Vintage-T-Shirts, Wollblazer und Jeans, die mehr kosteten als mein Auto. Aber er war nicht wie die anderen Besserverdiener, die in den Laden kamen. Nicht wie diese Arschgeigen von Wochenendgästen, die gern von unserem »netten« kleinen Städtchen schwärmten und von dem »entzückenden« kleinen Laden und mit ihren überdimensionalen Bechern voll Kaffee mit Haselnussaroma schnurstracks an unserem Bitte kein Essen und keine Getränke -Aushang vorbeiliefen und nie auch nur einen Groschen daließen. Henry war höflich. Still. Und das Allerbeste war, er ging nie, ohne für mindestens fünfzig Dollar eingekauft zu haben – überwiegend Restposten, die man heutzutage nur noch in ganz speziellen Geschäften bekommt, wie Lifebuoy-Seife oder Angelus-Schuhcreme. Er kam rein, zahlte bar und ging wieder. Schönen Tag noch. Bis zum nächsten Mal. Und dann, eines Tages im Herbst 2007, sah ich von meinem Spiralblock auf, und da war er. Er stand auf der anderen Seite der Ladentheke und starrte mich
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