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Abraham Lincoln - Vampirjäger

Abraham Lincoln - Vampirjäger

Titel: Abraham Lincoln - Vampirjäger
Autoren: Seth Grahame-Smith
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lange, nachdem die Sonne untergegangen war und die Menge der Trauergäste sich zerstreut hatte. Er hielt Wache bei dem Mann, mit dem ihn eine vierzig Jahre währende Freundschaft verbunden hatte. Hielt Wache bei dem Mann, der das Land vor der Versklavung bewahrt und die Kräfte der Finsternis zurück an ihren düsteren Platz verwiesen hatte. Dort verweilte er fast die ganze Nacht, zuweilen in stiller Versenkung, zuweilen las er die Nachrufe, die die Leute zusammen mit Blumen und Andenken zu Füßen der Eisengitter am Eingang zurückgelassen hatten. Einen davon fand er besonders bewegend. Darauf war nur zu lesen:
    »Feind der Tyrannen, Freund des Vaterlandes.« 65
    65 Aus Shakespeares Julius Cäsar, fünfter Aufzug, vierte Szene.
    _
    1871 erkrankte Tad Lincoln – der zu diesem Zeitpunkt zusammen mit seiner Mutter in Chicago lebte – an Tuberkulose. Er starb am 15. Juli im Alter von achtzehn Jahren. Seine Leiche wurde nach Springfield verbracht und in die Gruft seines Vaters neben die Brüder Willie und Eddy gelegt. Wieder war es Robert, der die Überführung begleitete, denn Mary war zu verzweifelt, um ihr beizuwohnen.
    Von allen seinen Kindern erlebte nur Robert den Anbruch des neuen Jahrhunderts. Er würde heiraten und selbst drei Kinder zeugen und später unter zwei Präsidenten, nämlich James Garfield und Chester A. Arthur, als Kriegsminister dienen. 1926 starb er friedlich in seinem Vermonter Anwesen im Alter von zweiundachtzig Jahren.
    Tads Tod war der endgültige, nicht wiedergutzumachende Schlag für Marys seelische Gesundheit. In den darauffolgenden Jahren wurde sie immer verwirrter und behauptete oftmals, sie habe das Gesicht ihres verstorbenen Ehemannes gesehen, der sie während ihrer nächtlichen Spaziergänge aus der Dunkelheit angestarrt habe. Sie litt unter Verfolgungswahn und ließ sich nicht davon abbringen, dass Fremde versuchen wollten, sie zu vergiften oder zu bestehlen. Einmal ließ sie sich Staatsanleihen im Wert von sechsundfünfzigtausend Dollar zur sicheren Aufbewahrung in ihren Unterrock einnähen. Nachdem Mary einen Selbstmordversuch unternommen hatte, blieb Robert keine Wahl, als sie in eine psychiatrische Anstalt einweisen zu lassen. Nach ihrer Entlassung zog sie zurück nach Springfield, wo sie 1882 im Alter von dreiundsechzig Jahren starb. Sie fand ihre letzte Ruhestätte neben den drei Söhnen und dem Ehemann, deren Tod sie noch zu Lebzeiten beweint hatte.
    Nach dem Bürgerkrieg gab es mehrere Versuche, Abraham Lincolns Gebeine zu stehlen, bis sein Sarg auf Robert Lincolns Ersuchen 1901 in Zement eingegossen wurde. Doch keiner der Möchtegern-Grabräuber hatte Erfolg. Tatsächlich war es keinem von ihnen gelungen, auch nur den schweren Deckel vom Sarg des Präsidenten zu öffnen. Wäre es ihnen geglückt, wären sie schockiert gewesen, was sie darin gefunden hätten.
    III
    Am 28. August 1963 stand Henry Sturges vor dem Lincoln Memorial, seine Kleidung und Frisur waren der Mode der Zeit angepasst. Ein schwarzer Schirm schützte seine Haut und dunkle Brillengläser verdeckten die Augen. Er wurde begleitet von einem ungewöhnlich großen Freund, dessen Augen hinter einer Ray-Ban-Brille verborgen waren und dessen schulterlange, braune Haare unter einem breitkrempigen Schlapphut hervorquollen. Ein buschiger Bart verdeckte sein kantiges Gesicht, dasselbe, das von dem marmornen Thron auf ihn herunterblickte (und ihm nicht wenig Unbehagen bereitete). Beide hörten aufmerksam, ja stolz zu, wie ein junger, farbiger Prediger in zweihundertfünfzigtausend gespannte Gesichter blickte.
    »Vor einem Jahrhundert«, begann der Prediger seine Rede, »unterschrieb ein berühmter Amerikaner, in dessen symbolischem Schatten wir heute stehen, die Freiheitsproklamation. Dieser bedeutungsvolle Erlass kam als heller Leitstern der Hoffnung zu Millionen von Negersklaven, die in den Flammen der vernichtenden Ungerechtigkeit versengt wurden. Er kam als ein freudiger Tagesanbruch am Ende der langen Nacht ihrer Gefangenschaft. Aber einhundert Jahre später ist der Neger immer noch nicht frei.«
    Abe und Henry waren gekommen, dabei zu helfen, die Arbeit zur Vollendung zu bringen, die sie vor hundert Jahren begonnen hatten. Genauso wie sie in der Phase der Neuordnung nach dem Bürgerkrieg dabei gewesen waren, um auch noch die letzten Vampire zu verjagen, die weiterhin die befreiten Sklaven terrorisierten …
    »Ich habe einen Traum, dass eines Tages die Söhne von früheren Sklaven und die Söhne von früheren
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