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Abraham Lincoln - Vampirjäger

Abraham Lincoln - Vampirjäger

Titel: Abraham Lincoln - Vampirjäger
Autoren: Seth Grahame-Smith
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ihn.
    »Nicht nötig«, antwortete er.
    Es war (bis dahin) die seltsamste Unterhaltung gewesen, die ich in meinem ganzen Leben geführt hatte. Als Henry sich dann entschuldigte und ging, fühlte ich mich, als hätte ich einen kilometerlangen Sprint hinter mir.
    Es war nie wieder so. Als er das nächste Mal in den Laden kam, tauschten wir wieder die üblichen Höflichkeiten aus, mehr nicht. Schönen Tag noch. Bis zum nächsten Mal. Er kaufte seine Seife und seine Schuhcreme. Er zahlte bar. Das ging so weiter, aber er kam immer seltener.
    Als Henry dann das letzte Mal auftauchte, im Januar 2008, hatte er ein kleines Päckchen bei sich, das in braunes Packpapier eingeschlagen und mit einer Schnur zusammengebunden war. Wortlos legte er es neben die Kasse. Sein grauer Pullover und der karmesinrote Schal waren von einer pudrigen Schicht Schnee bedeckt, und an den Gläsern seiner Sonnenbrille hingen kleine Wassertropfen. Er machte sich nicht die Mühe, sie abzunehmen, aber das überraschte mich nicht. Auf dem Päckchen lag ein weißes Kuvert, auf dem mein Name stand – an manchen Stellen hatte die Tinte sich mit Schneeflocken vermischt und war verlaufen.
    Ich langte unter die Ladentheke und stellte den kleinen Fernseher, den ich dort platziert hatte, um kein Spiel der Yankees zu verpassen, auf lautlos. Heute lief bloß der Nachrichtensender. In Iowa fanden die Vorwahlen statt, und es war ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Barack Obama und Hillary Clinton. Um die Zeit totzuschlagen, war mir jedes Mittel recht.
    »Ich möchte, dass Sie das bekommen.«
    Einen Moment lang sah ich ihn an, als hätte er diese Worte auf Norwegisch gesagt.
    »Sie meinen, das ist für mich? Was ist … «
    »Entschuldigen Sie, aber es wartet ein Wagen auf mich. Lesen Sie einfach die Nachricht. Ich melde mich bei Ihnen.«
    Und das war’s. Ich sah ihm hinterher, wie er durch die Tür hinaus in die Kälte trat, und fragte mich, ob er überhaupt jemals jemanden einen Satz zu Ende sprechen ließ oder ob er nur mich immer abwürgte.
    II
    Den restlichen Tag lang lag das Päckchen unter dem Ladentisch. Ich platzte fast vor Neugier, aber da ich nicht wusste, wer der Kerl wirklich war, wollte ich nicht riskieren, genau in dem Moment eine Paketbombe oder ein Kilo Heroin auszupacken, wenn gerade eine Pfadfinderin den Laden betrat. Ich zügelte meine brennende Neugier, bis es draußen dunkel wurde und Mrs. Kallop sich endlich (nach einer neunzigminütigen Debatte) für das dunklere grüne Garn entschieden hatte. Dann machte ich den Laden ein paar Minuten vor Ladenschluss zu. Zur Hölle mit den Zuspätkommern. Weihnachten war vorbei, und die Geschäfte liefen ziemlich schleppend. Außerdem waren alle zu Hause und verfolgten das Obama–Hillary-Drama, das sich gerade in Iowa abspielte. Ich beschloss, noch heimlich im Keller eine Zigarette zu rauchen, bevor ich nach Hause ging, um das Ergebnis der Vorwahlen zu erfahren. Ich nahm Henrys Päckchen, machte die Neonleuchten aus und drehte den Fernseher lauter. Falls es Neuigkeiten zur Wahl gab, würde ich es so auch eine Etage tiefer hören können.
    Im Keller gab es nicht viel. Außer ein paar Kisten überschüssiger Waren, die entlang der Wand gestapelt standen, war der Raum mit seinem schmutzigen Betonboden und der nackten Vierzig-Watt-Birne, die von der Decke baumelte, so gut wie leer. An einer Wand standen ein alter Schreibtisch mit dem Inventurcomputer, ein Aktenschrank, in dem wir unsere Unterlagen aufbewahrten, und ein paar Klappstühle. Ein Wasserkocher. Der Sicherungskasten. Zwei kleine Lichtschächte, die auf die Gasse darüber gingen. Dies war der Ort, an den ich mich während der kalten Wintermonate in erster Linie zum Rauchen verzog. Ich schob einen der Klappstühle an den Schreibtisch heran, steckte mir eine Kippe an und begann, die sorgfältig um das Päckchen gebundene Schnur zu …
    Der Brief.
    Der Gedanke war ganz plötzlich da, wie eine dieser brillanten Ideen oder Beobachtungen, für die ich meinen Notizblock immer griffbereit hielt. Ich musste zuerst den Brief lesen. Ich kramte mein Schweizer Taschenmesser aus der Hosentasche (sieben Dollar zwanzig plus Steuern – billiger als irgendwo sonst in Dutchesse County, garantiert) und öffnete das Kuvert mit einer lässigen Bewegung aus dem Handgelenk. Darin befand sich ein einzelnes gefaltetes Blatt strahlend weißen Papiers mit einer maschinengeschriebenen Liste von Namen und Adressen auf der einen Seite und einer handschriftlichen Nachricht auf der
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