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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig
Autoren: Robert Gordian
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während ihr Tränen aus den Augen schossen. „Stell dir vor, der sehnlichste Wunsch deiner Schwester geht in Erfüllung: Ich werde Königin!“ Und unter Schluchzen vollendete sie: „Königin des Westfränkischen Reiches!“
    „
Regina Francorum occidentalium
!“, rief Ludwig pathetisch.
    Er trat zu ihr, ergriff ihre beiden Hände und sie blickten sich beseelt in die Augen. Dann umschlangen sich der neunzehnjährige schlanke König und seine sechsundzwanzigjährige üppige Braut und küssten sich leidenschaftlich, während die Dienerschaft, die daran bereits gewöhnt zu sein schien, weiter geschäftig hin und her eilte und das Reisegepäck hinaustrug.
    Nur Heinrich starrte voller Ärger und Neid auf das Paar – so lange, bis er den Anblick nicht mehr ertrug und sich abwenden musste.
    Welche Schmach! Jetzt würde sogar seine Schwester, auch keine Purpurgeborene, vom höchsten Rang auf ihn herabsehen!
    |325| Doch er besann sich gleich, erinnerte sich seiner elenden Lage und der Hoffnung, mit der er gekommen war. Als die beiden voneinander abließen und ihm wieder ihre Aufmerksamkeit zuwandten, lächelte er breit.
    „Viel Glück und Gottes Segen für euch.“
    „Wir danken dir, mein künftiger Schwager“, sagte Ludwig. „Nun weißt du also, wie es hier steht. Wir wollen die Hochzeit in Laon feiern und dort zunächst wohnen und den Winter verbringen. Und die Krönung meiner herrlichen Königin wird Artaud in Reims vornehmen. Ein Teil meines Heeres bleibt selbstverständlich in Lothringen stehen.“
    „Oh, wunderbar!“, rief Heinrich. „Wenn du ein Heer in Lothringen lässt, kann ich mich ja hier sicher fühlen.“
    „Wie meinst du das?“, fragte der König der Westfranken zurückhaltend. „Verstehe ich richtig …“
    „Du brauchst doch hier einen Mann, Ludovicus, der Wache hält, wenn du abwesend bist. Der dein neues Herzogtum so regiert, wie du es wünschst.“
    „In der Tat, einen solchen Mann brauche ich.“
    „Er steht vor dir!“
    „Du meinst – dich selbst? Oh, nein … nein, das ist unmöglich!“
    „Warum denn?“
    „Weil ich zu König Otto, meinem neuen Schwager und Nachbarn, freundschaftliche Beziehungen wünsche. Wie könnte es aber dazu kommen, wenn ich meine Gunst und mein Vertrauen seinem Feind schenke, auch wenn dieser sein Bruder ist? Das geht doch nicht. Verstehst du, Henricus?“
    „Wir wollen Odda nicht unnötig erzürnen“, erklärte Gerberga, indem sie Heinrich mit einem strengen Blick maß. „Unter uns Königen sollten Frieden und Eintracht herrschen. Es wird Zeit, mit den unseligen Zwistigkeiten ein Ende zu machen. Dazu muss man auch Opfer bringen.“
    „Und das Opfer soll ich sein!“, schrie Heinrich empört. „Ihr alle wart gegen ihn. In Breisach, als er uns den Vertrag mit Beleidigungen zurückschickte … da hieß es noch, wir werden nicht ruhen und rasten, ehe er nicht besiegt und entthront ist. Du selbst, Ludovicus …“
    „Gott im Himmel, warum erregst du dich so?“, rief der junge König. „Was soll das noch? Eine Ewigkeit ist seitdem vergangen. |326| Eure Erhebung ist zusammengebrochen. Nichts anderes fiel euch ein, als zu brennen und zu plündern. Jetzt brauchen wir Ruhe und Frieden. Wenn Odda erfährt, dass ich seine Schwester zur Königin mache, wird er uns wohlgesinnt sein und auf Lothringen verzichten. Dann werde ich Zeit haben, mich um die anderen Unruhestifter zu kümmern, die mir das Leben vergällen, den Grafen von Vermandois und Hugo Magnus …“
    „ … den seine Gemahlin jetzt aufhetzen wird, unsere Schwester Hadwig“, ergänzte Gerberga, an Heinrich gewandt. „Die wird vor Neid fast vergehen, wenn sie erfährt, dass ich Königin werde. Sei wenigstens du ein liebes Brüderchen und mache mir keinen Ärger.“
    „Du willst damit sagen: Mach, dass du fortkommst!“
    „Was kann dir denn schon geschehen? Geh zur Mutter, du bist doch ihr Liebling. Sie wird dich schützen, wenn Odda dich strafen will. Nein, nein!“, rief sie zwei Mägden zu, „das Elfenbeinkästchen dort hinein – und die Glaskrüge dort … und viel Stroh, damit nichts zerbricht! Verzeih, Bruder, aber du siehst, ich muss mich hier um alles kümmern. Nehmt euch Verpflegung mit auf den Weg. Hältst du es einen Augenblick ohne mich aus, Liebster?“
    Sie enteilte und König Ludwig blickte ihr lächelnd nach.
    „Ich bin sehr stolz auf sie“, sagte er, als er sich wieder zu Heinrich umdrehte. „Meine größte Eroberung – bisher. Ich hoffe, es kommen später noch andere
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