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Abgeferkelt: Roman (German Edition)

Abgeferkelt: Roman (German Edition)

Titel: Abgeferkelt: Roman (German Edition)
Autoren: Andrea Hackenberg
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durch die Grümmsteiner Innenstadt begann, war alles so, wie Heidemarie es sich immer gewünscht hatte: Kleine, bezopfte Mädchen standen mit Heidesträußchen entlang der Strecke und winkten. Der Posaunenchor der Thomaskirche spielte »Bat out of Hell«, während die Grümmsteiner Trachtengruppe beschwingt über das Kopfsteinpflaster hüpfte. Und mittendrin marschierten die Scharfen Schützen in ihren lilafarbenen Uniformen, während Manni von seinem Festwagen aus Kusshände und Süßigkeiten in die Menge warf.
    »Der spinnt doch total«, hörte Kati einen Mann hinter sich schimpfen. »Ich wette, vor lauter Hüftschwung landet der am Schießstand nicht einen einzigen Treffer!«
    Doch gegen den ehemaligen Karnevalsprinzen aus Wattenscheid hatten Grümmsteins indigniert dreinblickende Traditionsschützen keine Chance: Erschreckend präzise ballerte Manni beim Vogelschießen erst Reichsapfel und Zepter von den hölzernen Flügeln des Tieres und holte schließlich auch noch den Rumpf von der Stange.
    »Damit geht der Titel des Stadtkönigs an die Scharfen Schützen Grümmstein e.V.! «, rief der Schießmeister, und prompt lag sich alles, was Lila trug, jubelnd in den Armen.
    »Würde gerne wissen, wo Manni so gut schießen gelernt hat«, überlegte Micha laut.
    »An einer Tankstelle, soweit ich weiß.«
    »Tankstelle? Ist das legal?«
    »Können Flusspferde fliegen?«, fragte Kati zurück.
    »Hätte ich mir denken können.«
    Im nächsten Moment wurde Manni von seinen Schützenbrüdern auf die Schultern genommen und zur offiziellen Proklamation ins Festzelt getragen. Ein Tusch erklang, als er auf die Bühne gehievt wurde, und Harald Martens trat sichtlich verlegen ans Mikrophon.
    »Lieber … äh … Herr Kowalski …«
    »Für Sie immer noch Hoheit, Herr Oberbürgermeister«, gab dieser gut gelaunt zurück.
    »Im … ähm … Namen des Grümmsteiner Schützenverbandes ernenne ich Sie hiermit zum Stadtkönig …«
    »Endlich geht der Titel mal an den Richtigen«, brüllte jemand aus dem Publikum, bevor tosender Applaus losbrach.
    Da konnte Heidemarie nicht länger an sich halten. »Ich habe dich nicht gewählt, Harald«, sagte sie zu Martens, der neben ihr stand. »Aber heute hast du mich zu einer sehr, sehr glücklichen Frau gemacht.« Sprach’s, packte seinen Kopf und küsste den perplexen Oberbürgermeister vor aller Augen mitten auf den Mund.
    Kati hatte unterdessen die Larsen-Zwillinge in der Menge entdeckt. »Mensch, seid ihr braun geworden!«, begrüßte sie die beiden Mädchen. »Hattet ihr eine schöne Zeit auf Sylt?«
    »Wie man’s nimmt«, meinte Hanna geradeheraus. »Unsere Eltern lassen sich scheiden.«
    »Oje.« Kati hatte augenblicklich das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Scheidung? War das etwa ihre Schuld? »Das … das ist ja … Ich kann euch gar nicht sagen, wie leid mir das tut.«
    Betont cool winkte Louisa ab. »Kommt ja nicht völlig überraschend. Getrennt waren sie sowieso schon, und für uns ändert sich jetzt nicht groß was – außer, dass unsere Mutter für zwei Jahre nach Stockholm geht.«
    »Was gar nicht mal sooo doof ist, weil wir sie da besuchen können«, ergänzte Hanna. »Da kann man bestimmt super shoppen.«
    »Und … wie kommen eure jüngeren Geschwister damit klar?«, hakte Kati nach, die den Mädchen nicht eine Minute lang abkaufte, dass sie das alles wirklich so locker wegsteckten.
    »Sophie zickt natürlich rum, wie immer, aber Benny hat das erst mal so hingenommen.« Louisa zuckte mit den Achseln. »Schwer zu sagen, was er denkt. Reden tut er jedenfalls nicht viel.«
    »Von mir aus hätten wir uns diesen Wiedervereinigungs-Schlenker auch sparen können«, brach es aus Hanna heraus. »Dieses Hin und Her war ziemlich nervig.«
    »Das kann ich mir vorstellen«, sagte Kati. »Aber eure Eltern wollten euch damit ganz bestimmt nicht weh tun.«
    »Machen wir mal wieder was zusammen?«, fragte Louisa unvermittelt. »Kochen oder Eis essen oder so?«
    »Sehr gerne, aber Eis essen können wir auch gleich jetzt und hier. Kommt mit, ich lade euch ein …«
    Sie besorgten drei große Eiswaffeln und setzten sich nebeneinander auf einen Bordstein, wo sie plauderten und sich die Sonne auf die Nasen scheinen ließen.
    »Hey, da drüben ist Laura«, rief Hanna nach einer Weile. »Wo war die eigentlich in den Sommerferien?«
    »Wollt ihr rüberlaufen und das rauskriegen?«, schlug Kati vor.
    Hin- und hergerissen starrte Louisa auf ihr halb aufgegessenes Eis.
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