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Ab ins Bett!

Ab ins Bett!

Titel: Ab ins Bett!
Autoren: David Baddiel
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gefesselt, aber ich singe still in meinen Ketten.
    Ehe ich aufbreche, sagt Nick zu mir: »Leck mich! Hast du ’ne Verabredung mit Michelle Pfeiffer oder was?«
    Offenbar ist meine Tarnung doch nicht so gelungen wie erhofft.
    »Nein, ich gehe bloß zu... «
    »Ben und Alice?«
    Nick weiß von Alice. Eines Nachts habe ich ihm mein Herz ausgeschüttet. Einmal, als wir spät nachts dasaßen, in einem See von Tränen und Wodka, und die üblichen dämlichen Geständnisse austauschten - Kindheitshomosexualität, Haß auf die Eltern, wie wir beide Fußballprofis hätten sein können (wenn wir gewollt hätten) —, da knackte ich plötzlich, Gott weiß warum, den Safe in meinem Herzen und holte mein Juwel heraus. Jetzt bereue ich es natürlich und habe schreckliche Angst, daß Nick eines Tages in Alices Gegenwart eine verräterische Bemerkung macht, ungefähr so. »Wußtest du, daß Gabriel in dich verliebt ist?«
    »Schon möglich«, sage ich.
    »Aha, aha«, sagt er mit einem Ausdruck allwissender Selbstgefälligkeit.
    Plötzlich bringt mich das in Rage.
    »Und du, räum zum Teufel die Bude hier auf, solange ich weg bin, du absoluter Arsch!«
    »Oooooooooo!« sagt er, wobei er in das mittlere »oooo« einen sarkastischen Triller legt. »Bloß, weil du dir eingebildet hast, du sähst wirklich cool und lässig aus.«
    »Nein, weil es hier dreckig ist.« Ich blicke mich nach irgendwas Beweiskräftigem um. Nicht schwer zu finden. »Guck hier: Was ist das?«
    »Apfelsinenschalen. Was hast du geglaubt, was es ist?«
    »Orangenschalen. Plus zwei Zigarettenkippen, was haben die in der Tasse hier zu suchen und... ach du Scheiße, auch noch abgeschnittene Zehennägel von dir! Ich hätte sie aus Versehen trinken können.«
    »Ach, hör doch auf rumzunörgeln wie ’ne alte Frau.«
    »Du bist die alte Frau.«
    »Nein, du bist eine.«
    »Du bist ein altes Weib mit ’nem riesigen, verwaschenen BH.«
    Der riesige, verwaschene BH bringt den Streit zum Stocken. Meistens schlucke ich meinen Ärger hinunter, statt meinen Gefühlen Luft zu machen. Was ein Fehler ist, denn jedesmal, wenn ich denke »Ich halte lieber den Mund«, gebe ich Krebs eine größere Chance. Manchmal sehe ich meinen zukünftigen Tumor in der Dunkelheit aufglühen wie E.T.s Herz.
    Vorläufig gehe ich aber noch mal ins Bad und verwuschele meinen Aufzug ein bißchen, öffne hier einen Knopf, ziehe da das Hemd ein Stück aus der Hose, wobei ich die ganze Zeit zu verdrängen versuche, daß meine Frisur während der letzten zehn Minuten zum Turban eines indischen Kellners mutiert ist. Ich werfe einen Blick auf die Uhr — 20.15. Also kann ich nichts mehr dagegen tun, ich muß los. Die Fahrt zu Ben und Alice dauert fünfundzwanzig Minuten, und weil es ganz locker wirken soll, kann ich natürlich nicht pünktlich auftauchen, logischerweise aber auch nicht allzu spät - logischerweise, weil ich die mit Alice verbrachte Zeit in Millisekunden messe, die ich dann in meinem Herzen horte. Ich rufe dem anzüglich grinsenden Nick ein knappes »Tschüß« zu, ziehe meine braune Bomberjacke über, die mit dem Futter, das nach Schaf aussieht, und gehe aus dem Haus. In dem feinen Nebel, einem, dem offenbar nicht so recht nach Nebel ist, wirkt die Straße ein bißchen unscharf. Mein Wagen, ein Triumph Dolomite, steht auf der anderen Straßenseite und ist mit kleinen Tropfen bedeckt, als würde er schwitzen. Mein Auto ist eine bewegliche Müllhalde. Ehe ich mich hineinsetze, muß ich zehn hüllenlose Kassetten beiseite schieben - The Carpenters, Dusty Springfield, The Cranberries - ein Päckchen Kaugummi, einen leeren Plastiksack und vier zerfledderte Stadtpläne. Meine Stadtpläne verlieren die Seiten schneller als eine lebensmüde Zimmerpflanze die Blätter. Mit den in meinem Auto verstreuten Luftaufnahmen von London könnte man ganze Gebiete des Amazonas wiederaufforsten. Wie oft bin ich schon zu irgendeinem unschuldigen Ziel aufgebrochen, ohne vorher nachzusehen, wo es ist. Und wenn ich mich dann in irgendeiner gottlosen Hardcore-Kneipengegend Londons wiederfinde und den Stadtplan aufschlage, stelle ich fest, daß die fragliche Seite irgendwo im Morast auf dem Rücksitz auf Nimmerwiedersehen verschwunden ist. Der hintere Teil meines Autos ist eine totale Zutritt-Verboten-Zone. Doch unter den Vordersitzen habe ich oft Taucherglück; als ich neulich auf der Suche nach Seite siebenunddreißig darunter herumstöberte, stieß meine Hand auf etwas, das sich als eine Schachtel Dominosteine
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