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Ab ins Bett!

Ab ins Bett!

Titel: Ab ins Bett!
Autoren: David Baddiel
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mir dauernd auf, um damit klarzukommen. Ich glaube, damit muß ich leben. Endlos wiederhole ich die Worte in meinem Kopf, damit mir nicht die anderen herausrutschen, die so gehen: »Heul, heul, heul, heul, heul!!!«
    Deshalb will ich nicht mit Ben Zusammenarbeiten. Ich soll ihm die Kolumne für die Rückseite von Over The Line schreiben, dieses schnieke Hochglanz-Sportwochenblatt, das er herausgibt. Ich habe den Eindruck, daß Ben tatsächlich glaubt, ich hätte dem Magazin etwas zu bieten, und will nicht bloß seinem Herumhänger-Bruder eine Wohltat erweisen. Aber so gern ich Ben mag, so viel Zeit kann ich nicht mit ihm verbringen. Denn er wird unbekümmert von Alice reden, ich weiß es genau. In kleineren Anekdoten wird sie Vorkommen, in Zukunftsplänen, vielleicht sogar in gelegentlichen sexuellen Anspielungen, was mir ihre Unerreichbarkeit um so deutlicher macht. Und die Anzahl Stachel, die mein Fleisch ertragen kann, hat auch ihre Grenzen.
    Vor drei Jahren begegnete ich Alice zum ersten Mal. Ben ging schon zwei Monate mit ihr. Das war damals erstaunlich. Früher war Ben nicht in der Lage, eine Beziehung länger als fünfundzwanzig Minuten aufrechtzuerhalten. Nicht daß er promiskuitiv gewesen wäre: Er hatte einfach diese lächerlichen Maßstäbe. Um mit Ben auszugehen, mußte man eine Serie so strenger geistiger und körperlicher Tests bestehen, daß viele seiner Verflossenen sich später Aufgaben für Die 100.000-Mark-Show ausdachten. Soweit ich erkennen konnte, waren die Grundvoraussetzungen für eine Frau, die bei Ben den nächsten Morgen überdauern wollte, fünf oder sechs Einser im Abitur, ein Diplom, vorzugsweise in Englisch, schlimmstenfalls wurden auch Französisch oder Biochemie akzeptiert, ferner irgendein akademischer Titel, ein M.A. oder Dr. phil., eine erschöpfende analytische Kenntnis von Film, Fernsehen und allen anderen Aspekten der gegenwärtigen Populärkultur, die Fähigkeit, nach Belieben mit literarischen bon mots um sich zu werfen, und enorme herrliche große Titten. Die meisten Frauen, mit denen er ausging, neigten leider dazu, nur die letzte Voraussetzung zu erfüllen (manche allerdings mit Bravour — oh, mit Glanz und Gloria). Dann, plötzlich, vor drei Jahren, tauchte er eines Abends mit Alice auf, und das Gespräch, das ich hier in leicht gekürzter Form wiedergebe, verlief ungefähr so:
    »Gabe. Das ist Alice.«
    »Hallo, freu mich, dich ke...«
    »Sie hat vier Einser im Abitur, ihren Dr. Phil, über Racine gemacht, und sie schreibt fürs Sight and Sound- Magazin.
    »Wirklich? Und... wart einen Moment, außerdem hast du ein D-Körbchen, nicht wahr? Volltreffer! Hauptgewinn. Der Superhauptgewinn!«
    Nun, nein, das habe ich nicht gesagt, aber gedacht habe ich es. Genau das ging mir eine Millisekunde durch den Kopf, ehe ich dachte: Ich bin verliebt. Ich habe Helena ins Gesicht gesehen. Tausend Tauben flogen aus meinem Herzen, und ich glaubte an Gott, ja, wirklich, ich glaubte an Gott.
    »Ben«, sagte Alice. »Ist dir einer abgegangen beim Aufsagen meines Lebenslaufs?«
    Das sagte sie, oder jedenfalls etwas in der Richtung. Nun, das war zwar nicht unbedingt ein literarisches bon mot , aber Sie können natürlich nicht wissen, wie Alice das sagte — mit der Stimme eines Sexengels. Manche Frauen haben diese Stimme: ich meine nicht das spermagetränkte Geflüster, das auf den 0190-Leitungen als sexy gilt, ich meine die Art Stimme, bei der man sich wünscht, die Sprecherin zu beschützen, sie für immer in den Armen zu halten, und, ja, sie zu ficken, aber sanft zu ficken. Hören Sie es, das leise Stöhnen, das manchmal zu einem Seufzen anschwillt wie bei einem weinenden Kind?
    Als ich diese Frau sah und hörte, wurde ich wütend, daß sie zu Ben gehörte — überhaupt zu irgendwem gehörte. Sie war nicht aus Fleisch und Blut, sondern das platonische Ideal von Weiblichkeit, eine wahrgewordene Fantasie, die in Leggings herumlief. Und so fantastische Titten. Ja ja, Sie haben mich durchschaut: Bei all meinen Tagträumereien von Alice habe ich nie nicht an ihre Titten gedacht. Männer, die beten eine Frau manchmal so an, daß sie aufhören, sie sexuell zu begehren: Der Prüfstein ihrer Liebe ist, daß sie nicht an sie denken, wenn sie wichsen. Aber manchmal, wenn du dir einen runterholst und dich dem Höhepunkt näherst, gerät deine Phantasie außer Rand und Band, schleudert dich aus der Berg-und-Talbahn deiner programmierten Hirnwindungen und Heucheleien direkt in die Menschenmenge
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