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Ab ins Bett!

Ab ins Bett!

Titel: Ab ins Bett!
Autoren: David Baddiel
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entpuppte. Ich habe noch nie im Leben ein Dominospiel besessen.
    Es ist so kalt im Auto, daß der Griff ans Steuer für meine Hände ein Schock ist wie der Biß in Eiscreme für meine Zähne, aber immerhin springt der Wagen ohne Probleme an, Gott sei Dank. Er ist wirklich beachtlich, mein Dolomite. Wurde nie überholt, hatte nie einen Ölwechsel, wurde ganz gewiß nie gewaschen und begrüßt mich trotzdem immer mit einem röhrenden, beruhigenden Bruuummm. An Ampeln säuft er manchmal gern ab, aber einmal den Zündschlüssel gedreht, und er läuft wie geschmiert. Ich halte an einem Supermarkt in Queenspark, um eine Flasche Wein zu kaufen. Als ich reingehen will, schießt der klobige Umriß eines Mannes, der im ersten Moment aussah, als käme er in perfekter Zielgeraden aus der Tür, plötzlich nach rechts und rempelt mich an. Mit erhobenen Fäusten macht er einen melodramatischen Satz nach hinten.
    »Komm her. Ich mach dich fertich. Krichst eine auf die Nuß. Eins auf die RÜÜÜBE!!«
    »Tach, Barry«, sage ich, geh an Schizo-Barry vorbei und laß ihn die Fäuste in Zeitlupe kreisen, bis er irgendwann wohl merkt, daß ich weitergegangen bin. Armer Schizo-Barry: Gerüchten nach ist er so ekelhaft, daß die anderen Penner in Kilburn ihn nach einer Abstimmung aufgefordert haben, nicht mehr in ihre Nähe zu kommen.
    Innen, in dem übergrellen Rund-um-die-Uhr-Ladenlicht, gehe ich zu der Wand mit den Weinregalen. Mal gucken. Mein Kopf wie auch meine Zunge haben eine genaue Vorstellung davon, wie ein guter Wein zu sein hat. Eichig, buttrig, vanillig, würzig, vollmundig - all diese Worte sind Teil meiner Vorstellung; und ich weiß, wenn meine Geschmacksnerven endlich auf diesen seltenen, seltenen Trank treffen, der all das in sich vereint, dann sehe ich mit glücklicher Vorfreude dem Tag entgegen, wenn ich mit einem Glas in der Hand am Kamin sitze, mir die würzige, vollmundige, eichige Vanille-Butter die Kehle hinabrieseln lasse, mich zu Alice umdrehe und sage: »Das ist er, Liebling. Das ist unser Drink.« Aber obwohl ich auf der Suche nach diesem Wein von Mal zu Mal eine Preisklasse höher gehe, sind die Worte, die mir auf die Zunge kommen, wenn ich das Zeug dann schlucke, immer sauer, abgestanden, wäßrig, gefärbter Saft und Schüttelfrost und Sodbrennen.
    Während ich ratlos die Etiketten betrachte, tanzen mir tausend dumme Sprüche vor Augen - Australischer, immer gute Qualität, Mit einem ungarischen Merlot liegen Sie nie falsch, Der chilenische war ein sehr guter Jahrgang. (Aber welcher? Glauben Sie, es gibt Leute, die sich wirklich auskennen?), Valpolicella ein guter Trinkwein. Achweißnicht. Ich versuche es mit einem alten Trick.
    »Was würden Sie empfehlen?«
    Der Kerl hinter dem Tresen sagt kein Wort, guckt mich bloß mit seinen müden Flüchtlingsaugen an und gibt mir mit jeder Faser zu verstehen: »Bitte, ich will doch bloß mein ganzes Leben damit vergeuden, in diesem überbeleuchteten Seelenvakuum meine Zeit abzuschrubben. Machen Sie es mir nicht noch schwerer.« Also sag ich ihm, er soll sich nicht bemühen, und tue, was ich immer tue, nämlich nach dem Etikett greifen, das aussieht, als könnte es irgendwann einmal eine feine Staubschicht auf sich gehabt haben, in diesem Fall eins mit dem Aufdruck St. Auberge 1987, 6.99 Pfund. Na, Sie wissen schon, ein staubiges Etikett, das bedeutet, na ja, daß die Flasche höchstwahrscheinlich mal in einem Keller war, und das ist ein gutes Zeichen, oder etwa nicht? Ich meine, ich gehöre schließlich nicht zu den Leuten, die meinen, es handelt sich um einen Qualitätswein, wenn die untere Hälfte der Flasche in einem Bastkorb steckt. Jedenfalls nicht mehr.
    Draußen vor dem Supermarkt kreisen Schizo-Barrys Fäuste immer noch in der Luft, als ich an ihm vorbeigehe. »Du hast keine Eier!! « schreit er mir zu. Vielleicht hat er recht. Vielleicht ist ihm auch einfach entgangen, daß ich meine lieber in der Hose trage.

    Ich liege noch gut in der Zeit, um zwanzig vor neun bei Ben und Alice anzukommen, als ich auf halbem Weg in der Harrow Road in einen Stau gerate. Warum Verkehrsstaus, das werde ich nie verstehen. Irgendwo weiter vorn in der Schlange bewegt sich der Verkehr wahrscheinlich, es sei denn, man steckt in einer Art totalem Weltstau. Wieso also gibt es dann einen Punkt, wo es nicht mehr weiter geht? Alles ist doch nur Linie im Raum. Aber vielleicht ist dieser Stoßstange-an-Stoßstange-Stillstand gar keiner, sondern Fortschritt. Ich erinnere mich, wie ich einmal
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