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Ab die Post

Ab die Post

Titel: Ab die Post
Autoren: Terry Pratchett
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Wilkinson.
    »He, bekomme ich kein Frühstück?«
    »Frühstück gibt’s erst um sieben«, erwiderte der Wärter vorwurfsvoll. »Aber weißt du was? Ich besorge dir ein Schinkenbrötchen. Weil du es bist, Herr Spangler.«
     
    Und jetzt war es einige Minuten vor Morgengrauen, und er wurde durch den kurzen Flur und in den kleinen Raum unter dem Gerüst gebracht. Feucht stellte fest, dass er sich selbst aus einer gewissen Entfernung sah, als schwebte ein Teil von ihm wie der Luftballon eines Kindes außerhalb des Körpers und wartete darauf, dass er die Schnur losließ.
    Das Licht in dem Raum kam durch Ritzen im Gerüstboden weiter oben, vor allem von den Rändern der großen Falltür. Ein Mann mit Kapuze ölte die Angeln der besagten Tür.
    Der Mann unterbrach seine Tätigkeit, als die Gruppe eintraf. »Guten Morgen, Herr Spangler«, sagte er und hob die Kapuze. »Ich bin’s, Daniel ›Ein Fall‹ Truper. Ich bin heute dein Henker. Sei unbesorgt. Ich habe Duzende von Leuten gehängt. Wir schaffen dich schnell aus dieser Welt.«
    »Stimmt es, dass ein Mann nach drei vergeblichen Hinrichtungsversuchen begnadigt wird, Dan?«, fragte Feucht, als sich der Mann die Hände sorgfältig an einem Lappen abputzte.
    »Davon habe ich gehört. Aber man nennt mich nicht ohne Grund ›Ein Fall‹ Möchtest du mit dem schwarzen Beutel von uns gehen?«
    »Wird es dadurch leichter?«
    »Manche Leute glauben, dass sie damit schneidiger aussehen. Und dann sieht niemand die Augen aus den Höhlen treten. Eigentlich ist der Beutel vor allem für die Zuschauer da. Da draußen haben sich heute Morgen ziemlich viele eingefunden. Gestern hat die Times einen netten Artikel über dich gebracht. Die Leute reden darüber, was du doch für ein netter junger Mann warst und so. Äh… wärst du so freundlich, das Seil vorher zu signieren? Ich meine, es hat ja wenig Sinn, dich nachher darum zu bitten?«
    »Du möchtest, dass ich das Seil signiere?«, fragte Feucht.
    »Ja«, bestätigte der Henker. »Es ist so eine Art Tradition. Dort draußen gibt es viele Leute, die alte Seile kaufen. Spezielle Sammler, könnte man sagen. Ein bisschen seltsam, aber es gibt eben solche und solche. Signiert ist das Seil natürlich mehr wert.« Er holte ein dickes Seil hervor. »Ich habe hier einen Stift, mit dem man darauf schreiben kann. Eine Unterschrift alle fünf Zentimeter? Eine einfache Unterschrift, ohne Widmung. Ist echtes Geld für mich. Ich wäre dir sehr dankbar.«
    »So dankbar, dass du mich nicht hängst?«, fragte Feucht und nahm den Stift.
    Das brachte ihm ein anerkennendes Lachen ein. Herr Truper beobachtete, wie er das Seil signierte, und er nickte zufrieden.
    »Ausgezeichnet, du signierst da meine Altersversorgung. Und nun… Sind alle bereit?«
    »Ich nicht!«, sagte Feucht schnell, was ihm eine weitere Runde amüsierten Gelächters einbrachte.
    »Du bist vielleicht ein Spaßvogel, Herr Spangler«, sagte Herr Wilkinson. »Ohne dich wird es hier nicht mehr so sein wie früher, im Ernst.«
    »Zumindest nicht für mich«, sagte Feucht. Auch diese Worte wurden wie das Maximum an Scharfsinn und Witz aufgenommen. »Glaubst du wirklich, dass dies abschreckend wirkt und Verbrechen vorbeugt, Herr Truper?«, fragte er.
    »Ich schätze, im Allgemeinen lässt sich das kaum feststellen, denn es dürfte schwer sein, Hinweise auf nicht verübte Verbrechen zu finden«, antwortete der Henker und überprüfte die Falltür ein letztes Mal. »Aber im Besonderen denke ich, dass es gut funktioniert, ja.«
    »Wie meinst du das?«, fragte Feucht.
    »Ich meine damit, dass ich hier oben nie jemanden mehr als einmal gesehen habe. Sollen wir gehen?«
    Unruhe entstand, als sie in die kühle Morgenluft emporstiegen, gefolgt von einigen Buhrufen und sogar ein wenig Applaus. Die Leute waren seltsam. Wer fünf Dollar stahl, war ein Dieb. Wer tausende von Dollar stahl, war entweder eine Regierung oder ein Held.
    Feucht blickte nach vorn, während man die Liste seiner Verbrechen verlas. Irgendwie fand er alles unfair. Er hatte niemandem auch nur an den Kopf getippt. Er hatte nie eine Tür aufgebrochen. Er hatte das eine oder andere Schloss geknackt, es aber nie versäumt, hinter sich wieder abzuschließen. Abgesehen von den Enteignungen, Bankrotten und plötzlichen Insolvenzen – was hatte er Schlechtes getan? Er hatte nur Zahlen bewegt.
    »Ein gutes Publikum«, sagte Herr Truper, warf das Ende des Seils über den Balken und knüpfte den Knoten. »Es sind auch viele Leute von der
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