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Aasgeier

Aasgeier

Titel: Aasgeier
Autoren: Peter J. Kraus
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und füttere und bade ihn, wenn es Ihnen recht ist.“
    Natürlich. Ricky und ich waren ein Herz und eine Seele, aber ein Dreijähriger braucht eine Mutter, zumindest eine Ersatzmutter. Außerdem dauerten Verrichtungen, die Juana in Windeseile nebenher erledigte, bei mir eine Ewigkeit.
     
    Ricky freute sich, dass ich wieder da war. Wir folgten Juana auf dem schmalen Pfad. Vor ein paar Jahren hatte ich mir eine Ranchito bauen lassen, ein recht geräumiges zweistöckiges Steingebäude eine halbe Meile außerhalb des Dorfes inmitten der Kakteenlandschaft. Die Stachelpflanzen sorgten für Ungestörtheit. Damit uns keiner in die Fenster kletterte, war das Haus mit einem meterbreiten Gürtel hüfthoher Kakteen umgeben. Eingangstür, Garagentür und Küchentür bildeten die einzigen Zugänge, und die waren aus Stahl. Die Leute im Dorf lachten hinter meinem Rücken zwar noch immer über meine amerikanische Ängstlichkeit, aber die hatten ja keine Ahnung, wie sehr ich das Gefühl der Geborgenheit brauchte. Und weil mir Rick riet, einen möglichst breiten Sicherheitsstreifen anzulegen, hatte ich erst vor Kurzem das Grundstück weiträumig mit einem übermannshohen Drahtgitter und einem fernbedienten elektrischen Tor versehen. Señor Gallina hieß ich seither bei denen im Dorf, Mister Muffe, Herr Hühnchen, aber das störte mich nicht weiter.
     
    Ich schaltete die Sicherheitsanlage am Torpfosten aus und ging mit Juana und Ricky auf mein Haus zu. Zwischen Haustür und Türrahmen steckte ein weißes Kuvert. Der ewig schnüffelnde Postbote hatte es noch nie unbemerkt bis hierher geschafft.
     
    Der Umschlag war leer. Kein Inhalt. Jemand hatte ihn zwischen Tür und Angel geschoben, um mir zu zeigen, dass Sicherheit ihre Grenzen hat. Na, denn mal.
     
    Die Sonne verschwand schon überm Meer als Juanita endlich nach Hause ging. Ricky war todmüde ins Bett gefallen, ich hatte vom kalten Huhn mit Schokoladensoße gegessen, das seit Tagen im Kühlschrank lauerte. Nun saß ich auf meiner Veranda und schaute zu, wie mein Hotel kokelte. Noch immer. Ganz ordentlich, welche Explosivkraft in so einem 3000-Gallonentank steckt. Verblüffend, wie mühelos der in die Luft gegangen war. Obwohl Propan doch eine recht hohe Entzündungstemperatur hat.
     
    Im Gegensatz zum Dorfpolizisten wusste ich, dass Propangas die geringste meiner Sorgen war. Der Briefumschlag bestätigte meine Befürchtung vom frühen Nachmittag. Als wir den Knall hörten, die Flammensäule sahen, da wusste ich, dass sie mich endlich gefunden hatten. War irgendwie arg blauäugig zu glauben, dass Rick, Misty und ich unbehelligt bleiben würden. Zu viele Leute wussten, dass wir lebten, zu viele wussten inzwischen auch, wo.
     
    Ich sah den Jeep schon von Weitem. Als der Polizist vor meinem Tor hielt, schloss ich auf und ging zum Auto.
    „Heute können wir nichts mehr unternehmen. Morgen früh werde ich mit einem der Bomberos die offizielle Untersuchung beginnen - aber wir sind uns eigentlich einig, dass es der Propantank war. Trotzdem, muss sein.“
    Ich stimmte zu. Claro, muss sein.
    „Kommen Sie morgen Vormittag ins Dorf, so gegen zehn, halb elf. Bis dahin haben wir sicher ein vorläufiges Ergebnis, einen ersten Bericht. Dann setzen wir die nötigen Papiere auf“. Er blickte mich an, wie Polizisten eben blicken. Ich sah müde aus - ich war müde. Hundsmüde.
    „Geht klar, Teniente. Morgen früh. Allerdings weiß ich nicht, wo Javier und Senora Palacios unsere Firmenunterlagen haben, vor allem unsere Grundstücksurkunden. Vielleicht beim Anwalt in Guerrero? Auf alle Fälle komme ich rein, und dann kümmern wir uns. Sie haben noch immer keine Ahnung, was mit den beiden ist?“
    Er schüttelte nur den Kopf und drehte den Zündschlüssel. Der Vierzylinder rasselte, sprang an, lief so unrund wie immer, und der Polizist fuhr davon, nachdem er mit der Handkante seinen Mützenrand berührt und mir zum Abschied noch mal einen seltsam fragenden Blick zugeworfen hatte. Ich schaute ihm nach, bis er in der Staubwolke verschwand. Im Dorf qualmte meine Investition noch immer gewaltig stinkend vor sich hin.
     
    Was soll man machen? Ich schloss sorgfältig ab, drehte die Außenbeleuchtung an und legte mir den Colt unters Kopfkissen. Dann schlief ich eine Runde.
     
    Im Aufschrecken hörte ich das Ende eines unterdrückten Fluches. Leise stieg ich vom Bett, den Colt in der Hand, schlich zum Fenster und schaute durch den Spalt der Vorhänge auf den Vorplatz des Hauses. Das Zauntor stand
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