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Aasgeier

Aasgeier

Titel: Aasgeier
Autoren: Peter J. Kraus
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loswurden, das sich bei schlechtem Wetter im Fahrstand sammelte. Wenn es sein musste, würde ich auf den Planken liegend durch die Luken schießen können, ohne dass ich ein gut sichtbares Ziel abgab. Für den absoluten Nahkampfnotfall steckte der schwere Colt hinten in meinem Hosenbund, geladen und gesichert.

    Das Display unseres Global Positioning System zeigte an, dass wir fünfzehn Seemeilen südlich Punta Negra waren, um die fünfunddreißig Seemeilen vom Heimathafen Los Santos. Das satellitengestützte Navigationssystem platzierte die Suerte Loca runde zwölf Meilen von der Küste entfernt, also auf ziemlich narrensicherem Kurs.
     
    Ich ließ den Diesel auf siebenhundert Umdrehungen laufen, was uns zwar nicht schnell, aber beharrlich und einigermaßen ruhig weiterbrachte. Das Radargerät flackerte noch immer bös, aber es funktionierte. Es zeigte in etwa einer Meile Entfernung einen auf meinem Kurs fahrenden Punkt, ansonsten waren wir allein. Irgendwann würde die Sonne den Nebel wegbrennen, und dann musste ich mich entscheiden, ob so schnell es ging vorwärts oder von Nebelfetzen zu Nebelfetzen hüpfen angesagt war. Bis dahin war Vorsicht die Mutter der Porzellankiste, danach half nur Angriff oder Flucht. Und Flucht war mit diesem alten Pott ein heikles Vorhaben.
     
    Ich hätte damals in Striker Beach bleiben sollen, in meinem kuscheligen Wohnei am Strand, meiner immobilen Mobilbehausung, von der aus ich in einer Strandlaufminute in den Wellen war, in zehn Minuten bei meinem Oldies-DJ-Job beim poppigen UKW-Sender in Pismo Beach, und in einer Stunde im Big Sur, wo der Mensch noch allein sein kann, wenn er`s braucht. Sicher, damals war ich immer pleite, aber ich konnte wenigstens einigermaßen unbekümmert in den Tag hinein leben. Seit Rick und ich jedoch frech wie Rotz den Drogentypen im Santa-Maria-Tal das viele Geld vollelektronisch von den Auslandskonten geklaut haben, kannte ich nur noch Angst. Berechtigte, wie man sah. Schließlich steckte ich mitten auf dem Pazifik, mit meinem kleinen Sohn, ein paar Tausendern, einem Laptop und einer Hose voll Schiss. Ohne festes Ziel, ohne sicheren Unterschlupf.
     
    Laptop. Ich fürchtete mich, nachzuschauen, aber ich musste wohl. Kopf in den Sand ist in Ordnung, wenn es sich nur um die üblichen Tagesprobleme handelt, aber wenn es ums Überleben geht, ist Information wichtig. Also holte ich den Compaq, wählte mich über Satellit ins Internet, und rief meine Bankkonten auf.
     
    Mein Saldo bei der Banque Populaire de Lausanne konnte nicht stimmen. Die hatten sicher einen Fehler gemacht. So was kommt ja vor. Statt einer dreiviertelmillion Schweizer Franken hatte ich noch siebenundvierzig fünfzig.
    Irgendwas in meiner Brust zog sich zusammen. Der Hals war wie zugeschnürt, ich bekam kaum Atemluft.
    Die Bank of Commerce and Tourism in Nassau, Bahamas, meldete ein Minus von siebzehn Dollar und dreiunddreißig Cent. Die Bitte, doch baldmöglichst den kontoführenden Beamten anzurufen, blinkte knallrot. Ich traute mich gar nicht, das Konto in Brüssel anzuschauen. Lohnte sich auch nicht, wie sich herausstellte. Dreitausend Euro waren noch drauf. Sechshundertzwanzigtausend hätten es sein sollen.
     
    Hatten sie mich ausgeplündert. Wie ich sie ausplünderte, vor gut fünf Jahren. Auf genau die gleiche Weise. Fragte sich nur, wer. Die Drogentypen und ihre Bullenfreunde, denen wir die Kohle weggenommen hatten, waren doch alle tot. Hatten sich gegenseitig ausradiert, in ihrer Habgier. Nur Randfiguren hatten überlebt, und die lebten damals schon von der Hand in den Mund.
     
    Erst mal holte ich ein Fläschchen Cerveza aus der Kühltasche. Dazu ein wärmender Schluck Pulque, der wie das Bier vor ihm den heißen Bleiklumpen im Magen sanft ummantelte. Und dann schrieb ich. Ich nahm an, dass meine online-Bewegungen überwacht wurden. Dass mein Telefonverkehr nicht mehr abhörsicher war, dürfte damit auch feststehen, denn sie würden über die Interneteinwahl zur Handynummer finden. Mit ziemlicher Sicherheit steckte irgendwo auf der Festplatte ein Cookie, über das alles abgerufen werden konnte, was im Computer gespeichert war. Fazit; nur noch für Mah-Jongg und Solitaire taugte das gute Stück. Scheiße. Musste ich alles neu kaufen. Computer, Mobiltelefon, Service.
    Nun ja. Ich notierte auf dem liniierten Block, woran ich mich erinnerte. Die beiden Konten, die ich für solche Notfälle vorsorglich per Post und persönlichem Besuch unterhalten hatte. Die Kleinigkeiten, die bei
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