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Aasgeier

Aasgeier

Titel: Aasgeier
Autoren: Peter J. Kraus
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reichte. Als ich ihm sagte, dass ich ihn jetzt bei meiner Mutter ließe, weil ich viel arbeiten müsse, vertraute er mir. Gottseidank. Und wandte sich wieder dem Fernsehen zu, wo bisher spanisch sprechende Zeichentrickfamilien auf einmal englisch redeten, was bei ihm Lachkrämpfe auslöste. Er wälzte sich vorm Apparat, brüllte den bunten Figuren Spanisches zu und kreischte, wenn sie auf Englisch antworteten.
    Ich ließ der Mutter einige große Scheine da, ließ mir von ihr die Blechschachtel bringen, die ich bei meinem letzten Kurzbesuch vor drei Jahren in ihrem Wandschrank gelassen habe, und steckte sie in meinen Backpack. Dann rief ich noch mal Wong an, der inzwischen im Laden stand, und sagte ihm, dass ich etwas brauche. Er kannte meine Stimme noch, also fragte er, ob´s das Gleiche sein dürfe wie damals.
    „So ähnlich wie möglich. Gleicher Umfang, gleiche Leistung“, wollte ich. Habe er da. Ich versprach, innerhalb der nächsten paar Stunden vorbeizuschauen. Er riet, den Hintereingang vom Parkplatz her zu benutzen. Er würde die Außentür aufschließen, und ich solle an der Hintertür des Ladens klopfen.
     
    Er hatte in der Tat fast den gleichen Ballermann da. Zwölfhundert wollte er. Inflation. „Ich habe acht- oder neunhundert bezahlt, vor drei Jahren“, machte ich den kläglichen Versuch, aber Wong blieb hart. „Damals hast du mir leidgetan“, meinte er lakonisch, „inzwischen hast du eine Menge Kohle, wie ich höre. Elfhundert, schwarz, unterm Tisch, ohne Meldung, ohne Quittung.“
    Ich legte meinen uralten Colt auf seinen Schreibtisch und bot ihm einen Tausch an. Wong lachte hell auf.
    “Dreihundert.”
    “Fünfhundert, Wong, keinen Roten weniger, und ich gebe dir noch die ganze Munition dazu. Der Colt ist Spitzenklasse. Problem ist nur, dass ich vielleicht etwas mehr Feuerkraft brauche. Wenn´s drauf ankommt.”
    Was soll man da schon lange herumstreiten. Er steckte den Colt in eine Schreibtischschublade, ich gab ihm einen Ring aus dem Blechschatüllchen, das ich bei Mutter gelassen hatte. Er prüfte, nickte und warf noch eine nagelneue Kevlarweste in das Köfferchen mit der Knarre.
    „Falls du etwas Ausgefallenes brauchst, oder falls du auf die Schnelle was haben musst, rufe mich an. Ich nehme Kreditkarten, ich kann die Kiste mit dem Zeug für dich aufbewahren, oder du zahlst cash wenn du wieder mal hier bist.“ Er senkte die Stimme. „Falls du mal etwas transferieren willst und nicht unbedingt die Banken damit belästigen, rufe mich an. Du weißt, wir Orientalen sind undurchsichtige kleine gelbe Bastarde“, lachte er. Die Bezeichnung „little yellow bastards“ stammte vom Weltkriegspräsidenten Roosevelt, der seine asiatischen Kriegsgegner gern in der Öffentlichkeit so nannte. Wong und ich kannten uns wirklich schon lange. Ich ließ ihm zwei meiner Ringe da, ein paar Armbänder und ein schickes Collier. Falls ich schnell was brauche.
    „Wal mil eine Fleude, Wong, wie üblich.“
    „Mil elst, Flemdel“ blödelte er zurück. Wir schüttelten markig, wie sich´s für Männer gehört. Dann stieg ich in meinen Leihwagen und fuhr nach King City.
     
     

 
     
     
    5 Gonzales
     
     
    Die Jahre waren an der Landschaft nicht spurlos vorbeigegangen. Ich staunte über die vielen Neubaugebiete, die damals noch Weide waren. Hinter Paso Robles hört Südkalifornien selbst für Optimisten auf, und hinter Paso war früher außer weit auseinanderliegenden staubigen Kleinstädten, vielen dürren Rindern und noch mehr nickenden Erdölförderpumpen nichts los. Heute stehen dort ganze Siedlungen herum und versuchen, altspanisch auszusehen mit ihren roten Kunststoffdachpfannen und ihren blendendweißen stuckbesprühten Holzwänden. California Traditional nennt sich die Bauweise, vermutlich weil es sie schon seit vierzig Jahren gibt.
     
    Kurz vor King City erkannte ich Mesa Verde Road, das Sträßchen, das ich vor fast fünf Jahren einige Male befahren hatte. Ab ins Gelände, durch lang gestreckte Felder, um eine Hügelkuppe herum und direkt auf die Ranch der beiden Gonzales. Noch immer mit Palmenhain, Stierkampfarena und bunten Lichterketten über den Picknicktischen. Ich hoffte, dass die Señora noch immer so schmackhaft aussah.
     
    Ignacio war älter geworden. Konnte er noch damals, als wir uns kennenlernten, den einstigen Kriminalen nicht verleugnen, so hatte er sich inzwischen zum vollendeten Ordensbruder herangefressen. Bauch und Bäckchen wohlgerundet, Gesichtsausdruck
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