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900 Großmütter Band 1

900 Großmütter Band 1

Titel: 900 Großmütter Band 1
Autoren: R. A. Hrsg Lafferty
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Wüste Thar. Es war ein fahles, rötliches Land, mehr Stein- als Sandboden. Es sah aus, als hätte jemand die Oberschicht abgestreift und das nackte Land unbedeckt liegengelassen.
    Sie hörten Donner, und das konnten sie nicht begreifen. Sie sahen sich an, der blonde Rockwell und der dunkle Smith. In dieser ganzen Gegend zwischen Neu-Delhi und Bahawalpur donnerte es niemals. Wo sollten auch in dieser regenlosen nordindischen Wüste die Gewitter herkommen?
    »Wollen mal diesen Saumpfad hochfahren«, sagte Rockwell zu Smith und ließ den Wagen klettern. »Hier regnet es niemals, aber einmal hat es mich in einer Gegend, wo es nie regnet, in einem Flußbett erwischt, und da bin ich beinah ersoffen.«
    Es donnerte wieder, schwer und rollend, als ob es sagen wollte: Ihr habt schon richtig gehört.
    »Diese Senke heißt Khuti Tavdavi – Kleiner Fluß«, sagte Smith nachdenklich. »Möcht’ mal wissen, warum.«
    Dann warf er sich im Wagensitz zurück, als sei er über sich selbst erschrocken.
    »Rockwell, warum habe ich das gesagt? Ich habe doch dieses Flußbett noch nie gesehen. Wieso fällt mir plötzlich solch ein Name ein? Aber so eine Senke in dieser flachen Gegend könnte ein kleiner Fluß sein, wenn es hier jemals regnen würde. Dieses Land kann keinen irgendwie signifikanten Niederschlag haben. Es gibt nirgends Erhöhungen, die vorüberziehende Regenwolken anzapfen könnten.«
    »Ich denke jedesmal darüber nach, wenn ich hierher komme«, sagte Rockwell und hob die Hand zu den schimmernden Höhen – Das Land der Großen Pferde, die berühmte Luftspiegelung.
    »Wenn das da drüben Wirklichkeit wäre, dann hätten wir hier eine üppige Savanne.«
    Die beiden waren Mineralogen, die Bodenuntersuchungen vornahmen, wenn ein Gelände aus der Luft ertragversprechend aussah. Aber mit der Wüste Thar war es ärgerlich: sie hatte zwar alles – Blei, Zink, Antimon, Kupfer, Zinn, Bauxit – aber in Mengen, die knapp unter dem Abbau-Ertragsminimum lagen. Keine Schürfung in der Thar würde einen Gewinn abwerfen, aber überall knapp die Kosten einbringen.
    Jetzt blitzte es über den Gipfeln der Fata Morgana, und das hatten sie noch nie gesehen. Der Himmel hatte sich bezogen und schien tiefer zu hängen. Es donnerte in rollenden Wellen; und eine akustische Fata Morgana gibt es nicht.
    »Entweder ist da ein sehr großer und sehr lebhafter Vogel zugange, oder es regnet tatsächlich«, sagte Rockwell. Und es hatte tatsächlich zu regnen angefangen, sanft, aber stetig. Es war angenehm, so im offenen Wagen durch den Regen und den Nachmittag zu tuckern. Regen in der Wüste ist immer so etwas wie eine Extra-Prämie.
    Smith sang ein munteres Lied in einer der Sprachen Nord-Indiens; eine Melodie, die einen frechen Schwung in sich hatte, doch verstand Rockwell den Text nicht. Es waren eine Menge Doppelreime darin, und die Wörter waren mit Vokalen vollgestopft, als hätte ein Kind sie sich ausgedacht.
    »Woher zum Teufel kannst du diese Sprachen so gut?« fragte Rockwell. »Mir sind sie zu schwierig, und ich habe doch auch ganz gute linguistische Grundlagen.«
    »Ich brauchte sie nicht erst zu lernen«, sagte Smith, »ich brauchte mich bloß zu erinnern. Sie gruppieren sich alle um boro jib selbst.«
    »Um was? Wie viele von diesen Sprachen sprichst du eigentlich?«
    »Alle. Die Sieben Schwestern, wie sie genannt werden: Punjabi, Kashmiri, Gujarati, Marathi, Sindhi, Hindi.«
    »Deine Sieben Schwestern sind aber nur sechs«, spottete Rockwell.
    »Es heißt, daß die Siebente Schwester mit einem Pferdehändler durchgegangen ist«, sagte Smith; »aber man stößt immer noch in aller Welt hier und da auf dieses siebente Mädchen.«
    Des öfteren hielten sie an, um den Boden im Gehen zu prüfen. Schon die Farbe der neuentstandenen Bäche hatte für die beiden Mineralogen ihre Bedeutung; und dies war das erstemal, daß sie in dieser Gegend überhaupt Wasser fließen sahen. Sie kamen nur ungleichmäßig und langsam voran und legten auf diese Weise ein paar schlammige Meilen zurück.
    Auf einmal stieß Rockwell einen Ruf aus und fiel beinahe aus dem Fahrzeug. Er sah einen völlig fremden Mann neben sich sitzen; und das brachte ihn ganz durcheinander.
    Dann sah er, daß es Smith war, und diese Täuschung, der er unterlegen war, verblüffte ihn noch mehr. Und bald kam noch etwas anderes dazu.
    »Irgendwas ist hier ganz und gar verkehrt«, sagte Rockwell.
    »Im Gegenteil – irgendwas ist hier sehr richtig«, antwortete Smith, und dann stimmte er
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