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80 Tage - Neun Faden - Mary Celeste

80 Tage - Neun Faden - Mary Celeste

Titel: 80 Tage - Neun Faden - Mary Celeste
Autoren: Martin Clauß
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lasse nichts auf diese Branche kommen.“
    Sir Darren räusperte sich. „Nun, da Sie über mich Bescheid wissen, darf ich Ihnen dieselbe Frage stellen? Was führt Sie nach Holland?“ Mit einem Seitenblick auf den jungen Mann fügte er hinzu: „Und … ich würde es vorziehen, nicht raten zu müssen.“
    Der Zeitungsleser lachte. „Uns drei hat das Fernweh auf den Kontinent getrieben. Jeder von uns hat es irgendwann zu Hause nicht mehr ausgehalten. Ja, mir ist bewusst, wie lächerlich sich das ausnimmt. Wir reisen in die Ferne, nur, um uns täglich in diesem britischen Club zu treffen und unseren britischen Gewohnheiten nachzugehen. Und trotzdem ist es anders, hier zu sein. Sobald man auf die Straße tritt, reden die Leute eine fremde Sprache. Ist das nicht … exotisch? Es erinnert mich ein wenig an die gute alte Kolonialzeit.“
    „Ich habe nie von einer britischen Kolonie in Holland gehört“, warf der junge Mann ein. „Und selbst in Ihrem Alter wird man sich schwerlich an die Kolonialzeit erinnern.“
    „Himmel“, sagte der Zeitungsleser. „Waren wir wohl auch solche besserwisserischen Hohlköpfe in unserer Jugend?“
    „Ein Hohlkopf, Sir? Das geht ein wenig zu weit, finden Sie nicht?“ Der Bursche ging mit geröteten Wangen auf den entspannt Sitzenden zu.
    „Beruhige dich, Junge. Wenn du möchtest, spielen wir nachher eine Partie Whist mit dir. Das heißt, falls unserem Neumitglied der Sinn danach steht. Wir brauchen schließlich vier Personen, und unser lieber George“, er sah zum Butler hinüber, der gerade schwerfällig den Kamin schürte, „ist kein großer Freund des Kartenspiels.“
    „Mit größtem Vergnügen“, erwiderte Sir Darren, ohne es wirklich zu meinen. „Aber ich fürchte, die Bezeichnung ‚Neumitglied’ erweist mir zu viel Ehre. Ich bin noch kein Mitglied hier.“
    Der junge Mann grinste jetzt wieder. „Wenn Sie unsere Gesellschaft ertragen, sind Sie eines.“
    „Ach? In diesem Fall bin ich es wohl tatsächlich“, gab Sir Darren höflich zurück.
    „Gut gesagt, mein Lieber“, freute sich der Zeitungsleser. „ Sehr gut gesagt. Nun, da wir die Formalitäten erledigt haben, gehen wir doch hinüber in den blauen Salon, und widmen wir uns sogleich dem verwerflichen Laster des Glücksspiels.“
    Sie erhoben sich. Als Sir Darren seinen Tee mitnehmen wollte, meinte der Butler: „Sir, wenn Sie erlauben, bringe ich Ihren Tee nach nebenan. Es macht mir ganz und gar nichts aus. Da selbst das Beobachten einer Whistpartie meinen alten Kopf zu sehr anstrengt, werde ich in den nächsten Stunden wenig zu tun haben, fürchte ich. Tja, ich denke wirklich, ich werde in der Zwischenzeit oben das Supper vorbereiten. Etwas Gedünstetes wird die Gewinner belohnen und die Verlierer trösten. Klingeln Sie unbedingt nach mir, sobald Sie das Gefühl haben, mich zu brauchen. Nein, am besten klingeln Sie schon zwei Minuten, ehe sich das Gefühl einstellt – Sie kennen meine Geschwindigkeit …“
    Der blaue Salon sah dem Zimmer, das sie verließen, zum Verwechseln ähnlich. Die Tapete war nicht etwa blau, wie Sir Darren erwartet hatte. Das einzige, was die Namensgebung des Raumes rechtfertigte, waren die Bilder an den Wänden. Sie zeigten diesmal keine Jagdszenen in Wäldern und auf Wiesen, sondern Motive aus der Seefahrt. Eines davon war eine wilde Seeschlacht, in dem sich zwei mächtige spanische Galeonen mit Kanonensalven befeuerten, die anderen zeigten ruhig dahingleitende Schiffe oder solche, die in malerischen Häfen vor Anker lagen. Statt des kleinen runden Teetischchens gab es hier einen etwas größeren, quadratischen Tisch. In der Mitte lag bereits ein Kartenstapel bereit.
    „Setzen wir uns!“
    Man ließ Sir Darren die Wahl, und er entschied sich für den Sessel, der dem Kamin am nächsten war. Kaum hatte der Butler ihren Tee mit seinen zitternden Händen herbeigetragen, bemühte er sich, auch hier ein Feuer zu entzünden. Wie erwartet setzte sich der junge Mann gegenüber von Sir Darren, von wo aus er einen guten Blick auf die Flammen haben würde, sobald sie erst einmal züngelten.
    „Ja, die gute alte Seefahrt“, meinte der Mann, der zuvor den Daily Telegraph gelesen hatte. Ihm musste aufgefallen sein, dass ihr Neumitglied die Gemälde betrachtete. „Briten, Holländer, Spanier und Portugiesen – vier Völker, die mit ihren Schiffen die ganze Erdkugel befuhren und überall auf der Welt zu Hause waren. Die Franzosen wollen wir lieber nicht erwähnen. Das waren noch Zeiten, was?
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