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80 Tage - Neun Faden - Mary Celeste

80 Tage - Neun Faden - Mary Celeste

Titel: 80 Tage - Neun Faden - Mary Celeste
Autoren: Martin Clauß
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Nichts. „Ich würde mich jedenfalls nicht Gärtner zu nennen wagen, wenn ich eine Geranie nicht von einer Heckenrose unterscheiden könnte.“
    „Vielleicht ist er nicht Spiritist, sondern Spitzenartist“, mischte sich die Stimme des jungen Mannes ein.
    „Sehr witzig.“ Die Stimme des Kartenmischers, etwas genervt.
    Sir Darren ging aufgeregt im Zimmer umher und suchte nach einem Ausweg. Dieser Raum hatte nur eine Tür und keine Fenster. Er stieß mit den Schuhen gegen die Täfelung, klopfte mit den Händen die Wände ab. Er hängte sogar Bilder ab und sah dahinter. Es war gruselig, die eigenen Gliedmaßen dabei nicht wahrnehmen zu können. Man hatte kein rechtes Gefühl dafür, wohin man griff.
    „Sir“, meldete sich die Stimme des Butlers, „ich möchte Ihnen wirklich nicht zu nahe treten, aber um unerfreulichen Ärger mit den Nachbarn zu vermeiden, wäre es günstig, wenn Sie aufhören würden, einen solchen Lärm zu verursachen. In der Zeit seit dem Bestehen unseres Clubs hatten wir nie Schwierigkeiten dieser Art, und es wäre schön, wenn es so bleiben würde.“
    „Schon gut, George“, meinte der Kartenmischer, der den Stapel jetzt endlich auf dem Tisch abgelegt hatte. „Sir Darren ist einfach ein wenig nervös. Ich bin sicher, er wird sich bald beruhigen.“
    „Ich … ich kann akzeptieren, dass Sie Geister sind“, brachte der Dozent hervor. Er war einmal durch das Zimmer gegangen und wieder an seinem Ausgangspunkt, dem Sessel, angelangt. Natürlich setzte er sich nicht, sondern stellte sich dahinter, die unsichtbaren Hände auf der breiten Lehne. „Aber eines weiß ich ganz sicher: Ich bin keiner. Ich habe gelebt, als ich dieses Haus betrat, und ich wüsste nicht, dass ich seither gestorben wäre.“
    „Geister wissen nicht immer, dass sie tot sind“, sagte der junge Mann.
    „Ich glaube, ich wüsste es.“
    Der Bursche lachte. „Glauben ist nicht Wissen.“
    „Wie und wann soll ich denn gestorben sein?“, fragte Sir Darren und ließ seine Blicke unablässig durch den Raum gleiten, fing die kleinen Bewegungen auf, die es überall dort gab, wo einer der Unsichtbaren etwas berührte. Unwillkürlich erinnerte er sich an einen Spielfilm, dessen Hauptperson zu einem Gespenst geworden war, ohne es zu wissen. Er dachte an den Flug von München nach Amsterdam zurück und stellte erleichtert fest, dass er mit einigen Leuten gesprochen hatte – Gespräche, deren Verlauf seine Lebendigkeit stichhaltig bewies.
    „Erinnern Sie sich noch, Sir, was wir über die Mitgliedschaft in diesem Club gesagt hatten?“
    Sir Darrens Hände verkrampften sich um die Sessellehne, und diese knarrte. „Ich habe nichts unterschrieben.“ Doch. Nein. Er hatte die Anmeldung für den Flying Dutchman unterschrieben, ja, das hatte er getan, aber das hatte mit dieser Sache hier nichts zu tun, konnte nichts damit zu tun haben. Wenn man die fantastische Möglichkeit in Betracht zog, dass er durch diese lächerliche Unterschrift zum Geist geworden war, dann würden zahllose Menschen sein Schicksal geteilt haben. Auf dem Formular war die Rede von mehreren Millionen Mitgliedern gewesen. „Ich bin kein Gespenst“, beharrte er. „Ich wurde nur unsichtbar gemacht. Ich nehme an, das soll mich einschüchtern, aber das ist Ihnen nur bedingt gelungen, da Sie nur mein Herz, aber nicht meinen Intellekt verwirrt haben.“
    „Ich rede nicht von einer Unterschrift. Haben Sie nicht mehr im Ohr, was unser junger Freund hier zu Ihnen sagte?“
    „Er sagte, wenn ich das wiederholen darf“, schaltete sich der Butler ein, „Sie sind ein Mitglied, wenn Sie unsere Gesellschaft ertragen. Und Sie meinten wortwörtlich: ‚In diesem Fall bin ich es wohl tatsächlich.’ Genau das sagten Sie, Sir. Wer die Gesellschaft von Geistern erträgt, Sir, kann nur entweder wahnsinnig oder selbst ein Geist sein, da werden Sie mir zustimmen. Und wahnsinnig erscheinen Sie mir nicht, ganz und gar nicht, Sir. Ich bin ein alter Mann und habe manches gesehen. Glauben Sie mir, wahnsinnig sind Sie nicht.“
    Sir Darren schnürte es die Kehle zu. „Können … können wir das Gespräch in sichtbarem Zustand fortführen?“, krächzte er und kam sich ziemlich dumm vor.
    Im nächsten Augenblick tauchten seine knochigen Hände auf der Lehne wieder auf, der Rest seines Körpers folgte, und die vier Männer schälten sich ebenfalls aus dem Nichts. Sie sahen aus wie zuvor, und doch sah er sie nun mit anderen Augen. Ihre Gesichter wirkten … antiquiert. Wenn Gesichter
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