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80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition)

80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition)

Titel: 80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition)
Autoren: Vina Jackson
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wie die von Chris ihr Leben lang träumten.
    Chris und ich waren uns erstmals bei einem Konzert der Black Keys im Hackney Empire begegnet, wo wir beide in der ersten Reihe saßen. Ich war allein hingegangen, weil ich noch fremd in der Stadt war, und wir waren zusammengestoßen, als wir gleichzeitig aufsprangen, um das Plektrum des Leadsängers zu fangen. Ganz Gentleman, überließ er es mir, und ich spendierte ihm zum Dank nach dem Konzert etwas zu trinken. Uns verband, dass wir beide neu in London waren und beide ein Saiteninstrument spielten, ich Geige und er Bratsche. Allerdings war er inzwischen fast ausschließlich auf Gitarre umgestiegen, die in der Rockszene einen ganz anderen Stellenwert hat. Wenn es zum Auftrittsort und zum Programm passte, hatte ich hin und wieder bei seiner Band mitgefiedelt.
    Ich entschloss mich, ihn anzurufen. Zwar würde es in London schon später Abend sein, aber Chris als Musiker war sicher noch wach.
    Seine Stimme klang verschlafen.
    »Erzähl mir nicht, dass du schon im Bett warst. Du bist ein Rockstar!«
    »Summer?«
    »Genau die. Was gibt’s Neues?«
    Ich hörte das leise Scheuern von Stoff, wahrscheinlich seine Decke, als er sich aufsetzte. Er lag offenbar tatsächlich schon im Bett.
    »Wir haben den Gig.«
    »Mit den Holy Criminals. Ich fasse es nicht! Warst du mit Viggo Franck im Bett, um den Auftritt zu kriegen?«
    »Sei nicht albern.«
    »Wie ist er denn so?«, bohrte ich nach.
    »Viggo?«
    »Na klar, Viggo. Oder meinst du, ich stehe auf den Schlagzeuger?«
    »Oh, er würde dir gefallen. Alle Mädchen sind hin und weg von ihm. Was ich nicht ganz verstehe. Aber das ist nun mal das Problem von uns netten Kerlen – wir sind immer nur der gute Freund und nie der Lover. Die fiesen Typen kriegen die Braut.«
    »Simón ist ein netter Kerl«, frotzelte ich.
    »Ja, stimmt.« Er wurde plötzlich ernst. »Aber bist du auch glücklich mit ihm?«
    Ich antwortete nicht gleich, weil ich nicht wusste, wie ich es ausdrücken sollte. Wie sollte man jemandem erklären, dass man drauf und dran war, den nettesten Mann der Welt zu verlassen, nur weil er zu nett war?
    »Was ist los, Summer? Du rufst doch nicht an, bloß um zu plaudern. Das ist nicht deine Art.«
    »Ich weiß nicht. Irgendwie bin ich durch den Wind. Mein Geigenlehrer ist gestorben, Mr. van der Vliet. Ich weiß nicht, ob ich dir mal von ihm erzählt habe.«
    »Doch, das hast du. Aber er war ja wohl nicht mehr der Jüngste, oder? Hatte ein langes, erfülltes Leben. Und war stolz auf dich.«
    »Ich glaube, er hat sich umgebracht«, stieß ich ungelenk hervor.
    »Ach! Du lieber Himmel … Das tut mir leid. Bist du okay?«
    »Ehrlich gesagt, nein. Ich … ich weiß nicht, was mit mir los ist. Ich wollte einfach deine Stimme hören.«
    »Du weißt, dass ich immer für dich da bin, egal, wann du mich brauchst.«
    »Ja, das weiß ich. Dann … alles Gute für euren Gig – ist das bald?«
    »Nächsten Monat. Übrigens fehlst du uns. Es ist nicht mehr dasselbe, seit du nicht mehr da bist.«
    »Quatsch.«
    »Nein, wirklich. Du hast der Sache einen besonderen Touch gegeben. Hey, vielleicht wären wir alle schon längst berühmt, wenn du uns nicht verlassen hättest.«
    Als ich an diesem Abend heimkam, war es schon sehr spät. Simón war noch wach und wartete auf mich. Die langen Beine an den Knöcheln überkreuzt, saß er am Frühstückstresen und starrte nach vorne gebeugt auf die Arbeitsplatte, obwohl keine Zeitung vor ihm ausgebreitet war. Doch auf dem Tresen lag etwas. Ein Buch, allerdings zugeschlagen. Dominiks Buch, wie mir mit Schrecken klar wurde.
    Im Gegensatz zu sonst sprang er nicht auf, um mich zu begrüßen. Er schien wie in einem Schleier aus Erschöpfung gefangen.
    »Hallo«, sagte ich, um das Eis zu brechen.
    Mit mattem Lächeln sah er auf. Sein Blick war warm, aber auch der eines kranken Pferdes, das seinen Besitzer mit einem Gewehr auf sich zukommen sieht.
    »Hey, Baby«, sagte er. »Komm, umarme mich.«
    Dabei öffnete er weit die Arme, und ich presste mich an ihn. Er weinte. Ich spürte, wie seine Schultern bebten, und mein Hals wurde nass von seinen Tränen.
    »Was ist?«, fragte ich sanft.
    »Du liebst Dominik immer noch.« Es war eine Feststellung, keine Frage.
    »Wir haben uns seit zwei Jahren nicht gesehen«, erwiderte ich.
    »Aber du streitest nicht ab, dass du ihn liebst.«
    »Ich …«
    Er wies auf das Buch auf dem Tresen.
    »Es handelt von dir. Zwar an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit, aber trotzdem,
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