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80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition)

80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition)

Titel: 80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition)
Autoren: Vina Jackson
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wohlfühlt in seiner Haut. Dieser New Yorker Spätsommertag war heiß gewesen, mit einer Sonne so grell und stechend, dass man auf dem Pflaster Spiegeleier hätte braten können. Es war noch immer schwül, und obwohl wir vor unserem Aufbruch aus Dominiks Hotel geduscht hatten, spürte ich durch sein Hemd, wie erhitzt er war. In seiner Umarmung fühlte ich mich eingehüllt wie von einer warmen Wolke.
    »Aber jetzt«, flüsterte er, »wollen wir erst mal was essen.«
    Wir standen vor dem Eingang der Oyster Bar. Hatte ich Dominik schon von meiner Vorliebe für rohen Fisch und Meeresfrüchte erzählt, oder hatte er es kurzerhand mal wieder erraten? Ich hatte nicht übel Lust, ihm zu erzählen, dass ich Austern eklig fand, nur um ihm zu zeigen, dass er nicht immer recht hatte. Allerdings hatte ich mir schon seit meiner Ankunft in New York gewünscht, mal in der Oyster Bar zu essen, daher wollte ich mir diese Gelegenheit jetzt nicht entgehen lassen. Abgesehen davon sind mir Menschen, die keine Austern mögen, suspekt, und vielleicht erging es ihm genauso. Es wäre dumm, ihm eine Lüge aufzutischen, die mich dann vielleicht als Bumerang traf.
    Das Lokal ist sehr beliebt, daher wunderte es mich, dass er so kurzfristig noch einen Tisch hatte reservieren können. Doch wie ich Dominik kannte, hatte er vielleicht schon früher reserviert und mir einfach nichts davon gesagt. Wir mussten dennoch etwa zwanzig Minuten auf unsere Plätze warten, und als es dann so weit war, brachte uns der Kellner auf der Stelle die Speisekarten und erkundigte sich nach unseren Getränkewünschen.
    »Champagner?«, fragte Dominik. Für sich selbst bestellte er eine Pepsi.
    »Ich hätte gern eine Flasche Asahi«, sagte ich zum Kellner. Dominik lächelte leise, als ich mich für das koreanische Bier entschied.
    »Die Speisekarte erschlägt einen ja förmlich«, sagte Dominik. »Sollen wir mit Austern anfangen?«
    »Willst du mich mit Aphrodisiaka abfüllen?«
    »Ich kenne keine Frau, die das weniger bräuchte als du, Summer.«
    »Das nehme ich als Kompliment.«
    »Gut. War auch so gemeint. Irgendwelche besonderen Vorlieben bei den Austern?«
    Der Kellner kam mit unseren Getränken. Ich lehnte das angebotene Glas ab, Bier muss man aus der Flasche trinken. Nach einem Schluck von dem kühlen Getränk widmete ich mich der Speisekarte.
    Es gab hier sogar Austern aus Neuseeland, gezüchtet im Hauraki-Golf, gar nicht weit von meinem Geburtsort entfernt. Plötzlich verspürte ich eine leise Sehnsucht, einen Anflug von Heimweh, den Fluch des müden Reisenden. Auch wenn es mir irgendwo noch so gut gefiel, hin und wieder plagten mich die Erinnerungen an Neuseeland. Und Meeresfrüchte riefen sie besonders oft wach. Dann dachte ich an warme Tage und kühle Abende am Meer, wenn ich bei Ebbe mit den Füßen im weichen feuchten Sand nach Tuatua- und Pipi-Muscheln gesucht hatte, Schalentiere, die im Flachwasser von Sandstränden leben. Oder an den Imbiss in unserem Ort, wo ich mir freitagabends ein halbes Dutzend gebratene Austern holte, in einer weißen Papiertüte, mit Salz bestreut und mit einer dicken Zitronenspalte.
    Ich bat den Kellner, mir hiesige Austern zu empfehlen, und bestellte ein halbes Dutzend, Dominik orderte das Gleiche. Heimweh oder nicht, ich war nicht um die halbe Welt bis nach New York gereist, um Meeresfrüchte aus dem Hauraki-Golf zu essen.
    Als der Kellner in der Küche verschwand, ergriff Dominik meine Hand. Sie war unerwartet kühl, sodass ich unwillkürlich zusammenzuckte. Offenbar war das Glas, das er mit ihr gehalten hatte, richtig kalt, obwohl er seine Pepsi immer ausdrücklich mit wenig Eis bestellte.
    »Sehnst du dich manchmal danach? Nach Neuseeland?«
    »Ja. Aber nicht ständig. Nur wenn mich etwas an zu Hause erinnert – ein Wort, ein Geruch oder irgendetwas, das ich sehe. Mir fehlen nicht unbedingt meine Familie oder meine Freunde, weil ich mit ihnen telefoniere und maile. Aber ich sehne mich nach dem Land und dem Meer. An London hat mich gestört, dass es so flach ist. Nicht so platt wie manche Regionen Australiens, in denen ich gelebt habe, aber immer noch flach. In Neuseeland gibt es jede Menge Berge.«
    »In deinem Gesicht kann man lesen wie in einem offenen Buch. Du gibst viel mehr von dir preis, als du glaubst. Und das nicht nur in deiner Musik.«
    Dominik war enttäuscht gewesen, dass ich die Geige nicht dabeihatte, als ich von meiner Wohnung zu ihm ins Hotel zurückgekehrt war. Deshalb hatte ich ihm versprochen, sie zu holen
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