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77 Tage

77 Tage

Titel: 77 Tage
Autoren: Lucie Flebbe
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und Hedi, die beiden rentennahen Damen, lehnten an dem aufgeräumten Schreibtisch unter dem schmalen Kellerfenster. Die zwei Männer und ein Mädchen, das kaum älter als ich selbst sein konnte, hockten auf einem Sideboard an der Wand.
    Anna Willms selbst nahm auf einem großen, grünen Gymnastikball neben dem Schreibtisch Platz und begann zu wippen. Sie hielt sich wirbelsäulengerecht gerade, was ganz gut zu ihrer korrekt geknöpften Bluse passte.
    Elsbeth van Pels verabschiedete sich. Nachdem sie die Bürotür hinter sich geschlossen hatte, trat Danner einen Schritt zurück und lehnte sich dagegen. Um nicht mitten im Raum direkt vor der wippenden Anna Willms zu stehen, machte ich es ihm nach und stellte mich dicht neben ihn.
    »Also das Wichtigste in Kurzfassung«, lächelte die Teamleiterin uns an. »Wir sind zehn Mitarbeiter im Team dieser Zweigstelle. Unser Pflegeschwerpunkt ist die Neurologie, also Gehirn und Nervensystem des Menschen. Wir pflegen vorwiegend Personen mit Erkrankungen wie Schlaganfall, Querschnittslähmungen, MS, Parkinson und sehr viele Alzheimer- und gedächtnisgestörte Patienten. Ich stelle am besten alle Kolleginnen und Kollegen kurz vor. Die Namen werdet ihr euch bestimmt nicht gleich merken können, aber das habt ihr drauf, wenn ihr mit jedem einmal auf Tour ward. Agnes Friedlich und Hedwig Sundermann, Krankenschwestern, sind mit mir zusammen die Dienstältesten.« Mit einer Kopfbewegung deutete Anna Willms auf die lange Dünne und die kleine Dicke. Die Große trug die wellig gefönten Haare zur Seite gescheitelt, die Kleine hatte ihre Kringellöckchen vom Ohr an aufwärts festgesteckt.
    »Zwölf Jahre gibt’s den Laden hier schon und Agi und Hedi sind von Anfang an dabei gewesen.«
    Die beiden nickten nicht ohne Stolz.
    »Janine Hinze ist Altenpflegerin.«
    Das war die blondierte Brezel.
    »Gülcan Aydin, Pflegehelferin.« Die junge Türkin trug den Kittel vorschriftsmäßig zugeknöpft, das pechschwarze Haar zum Zopf geflochten, schlicht. Trotzdem hob sie sich hervor aus der Masse der weiß gekleideten Menschen in dem überfüllten Büro. Lag es an ihren schönen, kaffeebraunen Augen? An dem lackschwarzen Haar? Dem fein geschnittenen Gesicht mit der dominanten Nase? Jedenfalls umgab sie eine Aura von Tausendundeiner Nacht, die mir eine Sekunde lang den Geruch von Thymian und Koriander zwischen Schweiß und Desinfektionsmitteln vorgaukelte.
    »Mona Rudzinski, Altenpflegerin.« Eine Stämmige mit Damenbart und Kurzhaarschnitt. Aus den hochgekrempelten Kittelärmeln ragten behaarte Unterarme.
    »Simo Kracht und Ingo Kuchenbecker, examinierte Krankenpfleger.«
    Mein Blick wanderte zu Danner. Genauer gesagt, in sein Gesicht, aus dem heute ganz überraschend und zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, der Dreitagebart verschwunden war.
    »Schleimer«, hatte ich noch gespottet und prüfend die glatte Haut seiner Wangen gerieben, um festzustellen, dass trotz der Rasur die winzigen, harten Stoppeln deutlich zu spüren waren. Meine Fingerkuppen rochen noch nach seinem Aftershave, mit dem er für seine Verhältnisse auffallend großzügig umgegangen war.
    Doch erst jetzt, als Anna Willms uns die beiden männlichen Altenpfleger vorstellte, begriff ich, was Danner mit der Rasur und dem eine Nummer zu engen, dunklen Pulli bezweckte.
    Ingo Kuchenbecker ging auf die sechzig zu und trug zu einer polierten Glatze und der weißen Dienstkleidung – Lipgloss. Der Pfleger konnte seinen Blick nicht von Danners durch Hanteltraining aufgepusteten Oberarmen abwenden.
    Simo Kracht war etwas jünger, um die fünfzig. Drei bis vier Speckringe zählte ich unter dem weißen Shirt und ein grauer Pferdeschwanz zusammen mit rundlich-weichen Gesichtszügen ließen auch ihn ein wenig weiblich wirken.
    Kuchenbecker jedenfalls war sofort auf Danners mühsam glatt gebügeltes Kinn hereingefallen. Und die Art, wie der Detektiv sich über die Glatze strich und dabei den Blick des Lipglossträgers auf seine Rückenmuskulatur lenkte, verriet mir, dass genau das seine Absicht gewesen war.
    Mal wieder sehr clever, Boss, keine Frage. Danner würde garantiert keine Probleme haben, mit Kuchenbecker ins Gespräch zu kommen.
    Das amüsierte Glitzern in Danners grauen Augen verriet mir, dass er selbstverständlich bemerkt hatte, dass sein Plan aufgegangen war.
    »Sonja Meierhoff und Piroschka Weber kommen von der Leiharbeiterfirma Pflege-Profi. Sie unterstützen unser Team im Moment, weil eine Mitarbeiterin langzeitkrank ist und eine
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