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77 Tage

77 Tage

Titel: 77 Tage
Autoren: Lucie Flebbe
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nie zu den Frauen gehört, die Reizwäsche unter Jeans verbergen. Ich bin wirklich langweilig. Drüber und drunter. Beim Fundstück meiner Mutter handelte es sich um ein hässliches Baumwollungetüm. In der Größe meines Hinterns.
    Mario lachte am lautesten.
    Übrigens immer, wenn so etwas passiert. Nachsichtig tätschelt er mir den Kopf. Wie einem begriffsstutzigen Pudel, der einfach nicht Männchen machen will.
    Seine Meinung: »Bella hat den Brüller des Abends gelandet.«
    Mal wieder.
    »Wenn du je lernst, wie man einen Haushalt führt, haben unsere Gäste nichts mehr zu lachen.«
    Das stimmt. In Sachen Hausarbeit bin ich keine Leuchte.
    Ein weiterer Grund, warum meine Mutter unsere Beziehung nicht begreift. Mein Sexappeal und meine Hausfrauenqualitäten sind es nicht, die mich attraktiv machen. Und für meine Mutter sind diese beiden Punkte die Grundlagen einer Ehe.
    Trotzdem gibt es etwas, was Mario an mir mag. Auch heute noch. Er ist noch immer aufmerksam. Liest mir jeden Wunsch von den Augen ab.
    Ich würde gern mal wieder ins Musical gehen, sagte ich letzte Woche. Die Karten steckten heute im Hochzeitsstrauß.
    Fast bekomme ich jetzt ein schlechtes Gewissen. Dass ich mich überhaupt beschwere. Mario ist nicht mehr ganz so charmant wie zu Beginn unserer Beziehung. Aber das kann man nach zehn Jahren auch nicht ernsthaft erwarten.
    Immerhin schenkt er mir regelmäßig Blumen. Trotz Slip im Sofa. Trotz Krampfader.
    Vielleicht kann ich doch wieder hinuntergehen.
    Ohne meine Mutter mit der Unterhose zu erwürgen …

2.
    In Bochum starben mehr Menschen als anderswo.
    Allein dieses Wissen hinterließ ein nervöses Kitzeln auf der Haut. Plötzlich erinnerte ich mich an die unzähligen kleinen, bunten Pkws, die kreuz und quer durch die Stadt flitzten.
    Ambulante Pflege, war gewöhnlich auf der Heckscheibe zu lesen. Oder: Ihre Hilfe für zu Hause.
    Hinter dem Steuer saß in meiner Vorstellung ein elfenhaft schönes Mädchen mit langem Haar, weißem Gewand und ausladenden Federflügeln auf dem Rücken. Hartnäckig drängelte sich das Bild in meinen Kopf, daran konnte Elsbeth van Pels nichts ändern. Egal, wie sehr sie auf der schädlichen Einwirkung der Atomkraft beharrte.
    Gleich heute Mittag sollte es losgehen. Elsbeth van Pels wollte uns bei einer Dienstbesprechung mit ihrem Pflegeteam bekannt machen.
    Knapp zwei Stunden Zeit blieb uns noch. Weil Danner das Bad besetzte, lümmelte ich mich aufs Sofa und schaltete den Fernseher ein.
    Beinahe im gleichen Moment klingelte das Telefon.
    Seufzend sah ich mich nach Danner um, in der Hoffnung, er würde sich vielleicht freiwillig in Richtung des Apparates bewegen.
    Doch der Detektiv blieb verschwunden. Bereits vor einer halben Stunde hatte er sich im Badezimmer eingeschlossen, nachdem er vorher eine Etage tiefer Molles Rasierapparat geschnorrt hatte. Jetzt surrte das Ding bereits seit fünf Minuten – so lange brauchte er gewöhnlich nicht einmal zum Duschen.
    Das Telefon klingelte weiter, und weil Danner offenbar im einzigen warmen Raum der Wohnung bleiben wollte, raffte ich mich auf und schlurfte zum Schreibtisch.
    Auf dem Weg dorthin fiel mein Blick erneut auf den Karton mit dem Pizzarest von gestern Abend. Ich angelte mir ein schlabberiges Teigdreieck aus der Packung und biss in kalten Käse und würzige Salami, bevor ich den Anruf entgegennahm.
    »Detektei Danner und Ziegler, guten Morgen«, nuschelte ich kauend in den Hörer.
    In der Leitung blieb es still.
    Ich schüttelte den Apparat. Ab und zu versagte die Verbindung, das Gerät war nicht mehr das neueste.
    »Hallo?«
    »Liliana?«
    Die Faust zuckt auf mich zu und ich weiß, dass ich mich nicht rechtzeitig wegdrehen kann. Es knackt, als der Schlag meine Wirbelsäule trifft. Der Schmerz rast meinen Rücken hinab, dunkle Punkte tanzen vor meinen Augen. Als ich zu Boden falle, glaube ich einen Moment lang, mir einen Querschnitt eingehandelt zu haben.
    Die Erinnerungen leuchteten auf wie Blitze im nächtlichen Gewitter. Mein Herz schnellte in die Höhe und prallte von unten gegen meine Kehle, dass mir übel wurde.
    Erst jetzt merkte ich, dass ich bereits aufgelegt hatte. Reflexartig hatte sich mein Daumen auf den Knopf mit dem roten Hörer gepresst. Das Freizeichen tutete.
    Hastig stellte ich den Apparat wieder in die Ladestation zurück.
    Dort stand er. Still und harmlos, wie vorher.
    Hatte ich mich verhört? Oder mir etwas eingebildet? War das nur der nächste Albtraum gewesen, mit dem mich die verdrängten
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