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760 Minuten Angst

760 Minuten Angst

Titel: 760 Minuten Angst
Autoren: Michael Schmid
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oder Rick begriffen, was gerade vor ihren Augen geschah, hob Stella ein letztes Mal ihre rechte Hand, führte sie zu ihrer bandagierten Stirn und drückte ab.
    Ein Schwall Blut flog durch den Raum. Dann brach Stella zusammen. Fast hätte man meinen können, sie hätte sich bloß für ein Nickerchen hingelegt, wenn da nicht das Einschussloch in ihrer Stirn und das viele Blut wäre.
    Dennoch, der Schmerz und die Trauer hatten ein Ende gefunden. Nun konnte Stella in Ruhe schlafen.

    Jake drückte es regelrecht in die Lehne des Sofas, als der Schuss fiel und auch Rick war unfähig, sich im ersten Moment zu bewegen. Alles war viel zu schnell gegangen. Niemand hatte sich darauf einstellen können.
    »Wow«, sagte Rick, nachdem er einigermaßen zu sich kam.
    »Wow?«, wiederholte Jake in einem völlig anderen Tonfall. »Wow?! Mehr fällt dir dazu nicht ein?!«
    »Was willst du von mir?!«, brüllte Rick genervt zurück.
    »Was ich will?!« Jake konnte es nicht fassen. »Du hast gerade eine Frau in den Selbstmord getrieben … verdammt nochmal!«
    »Ich hab gar nichts! Sie hat sich von ganz allein erschossen. Fang du nicht auch noch an, mich als Mörder abzustempeln!«
    »Und was bist du dann?!«, fragte Jake und richtete anschließend den Lauf seiner Pistole auf Ricks Kopf.
    »Tz«, stieß Rick mit einem Grinsen aus. »Ich bin der Mörder, aber du bist es, der seine Waffe auf mich richtet. Mann, was für eine verkorkste Scheiße.«
    Rick wollte sich gerade zurücklehnen, als Jake aufschrie: »Nicht bewegen!«
    »Sonst was?! Erschießt du mich dann? Nur zu, schieß doch! Das ist es doch, was du willst. Also, Mann, schieß doch! Komm schon, schieß endlich!«
    »Sei … ruhig!«
    Jakes Hände zitterten und für einen Augenblick dachten beide, dass er abdrücken würde. Doch dann kam er zu sich und senkte abermals die Hände.
    »Es … es tut mir leid.«
    »Schon gut«, winkte Rick ab und sah zu, wie sich Jake ebenfalls setzte. »Und wie geht‘s weiter?«
    »Ich hab keine Ahnung«, antwortete Jake ehrlich. »Ich weiß es wirklich nicht.«
    »Ich schon.«
    Jake sah den jungen Mann ungläubig an.
    »Wie meinst du das?«
    »Nun ja, wie ich schon sagte, du wirst mich erschießen und dann war‘s das. Fertig, aus.«
    »Du spinnst doch!«
    »Ehrlich, Mann, du hast eine Tochter, die auf dich wartet und dich braucht. Meine Nichte hat ihre Familie und ich weiß, dass sich Karo liebevoll um meine Katze kümmern wird. Da liegt es doch auf der Hand, wer von uns beiden sterben muss.«
    »Ich werde dich nicht töten!«, brüllte Jake entsetzt.
    Er konnte nicht fassen, was Rick von ihm verlangte. Wie konnte er in dieser Situation nur so kühl und gleichgültig bleiben. Es ging hier schließlich um sein Leben!
    »Komm schon, sei keine Pussi«, zog Rick ihn auf. »Ich meine, ich würde es ja selbst tun, nur … nur kann ich das nicht. Versteh mich nicht falsch, ich opfere mich ja, nur kann ich mich nicht einfach selbst erschießen. So verzweifelt bin ich nun auch wieder nicht.«
    »Und ich kann dich nicht töten, so verzweifelt bin ich nicht«, erwiderte Jake.
    »Aber was wird dann aus deiner Tochter? Was wird aus meiner Nichte, meiner Katze und Stellas Oma? Soll auch ihr Opfer umsonst gewesen sein?«
    »Nein … natürlich nicht.«
    »Jake … hey, es ist schon gut. Du hast dieses kranke Spiel nicht erschaffen und wenn ich eine bessere Lösung wüsste, weiß Gott, dann würde ich mich definitiv nicht erschießen lassen, aber es geht nun mal nicht anders. So sind die Spielregeln.«
    »Rick … ich … ich kann nicht.«
    »Und ob. Komm her.«
    Obwohl Jake wesentlich älter war als Rick, gehorchte er und stellte sich vor den jungen Mann. Dieser nahm Jakes Waffe in die rechte Hand und führte sie zu seiner Brust. Genau dort, wo sich sein Herz befand.
    »Und nun drück ab, Jake. Ich halte die Waffe, keine Sorge. Du musst einfach nur abdrücken. Nichts weiter.«
    Doch Jake konnte es nicht. Er konnte nicht einfach einen Menschen erschießen, egal was auf dem Spiel stand. Nicht so.
    »Ich … ich … kann nicht.«
    Jake stiegen Tränen in die Augen und auch Rick kämpfte gegen die Angst an. Doch es gab keinen Ausweg.
    »Tu es, Jake. Bitte … für die Kleinen.«
    Jake schloss die Augen. Nicht nur, um die Tränen freizulassen, sondern auch, um sich kurz dem Schwarz hinzugeben. Die absolute Leere tat ihm gut, ließ Jake verschnaufen. Seine Gedanken gingen auf Reisen und er sah Mira, wie sie ihn anlächelte und auf ihn zugerannt kam. Er wollte sie in
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