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72 Tage in der Hoelle

72 Tage in der Hoelle

Titel: 72 Tage in der Hoelle
Autoren: Nando Parrado , Vince Rause , Sebastian Vogel
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Verbesserung unserer Technik, und als ich fünfzehn war, hatten wir uns beide eine Position in den Stella Maris First XV verdient, der Startaufstellung der Mannschaft. Nach dem Schulabschluss traten wir gemeinsam bei den Old Christians ein und genossen mehrere Jahre lang das hochtourige gesellschaftliche Leben junger Rugbyspieler. Diese Sturm-und-Drang-Zeit fand für Guido 1969 ein jähes Ende, weil er sich in die hübsche Tochter eines chilenischen Diplomaten verliebte. Sie waren jetzt verlobt, und um ihretwillen hielt er sich nun ein wenig zurück.
    Nachdem Guido sich verlobt hatte, sah ich ihn nicht mehr so häufig, und nun verbrachte ich mehr Zeit mit Panchito Abal, meinem zweiten Busenfreund. Panchito war jünger als ich, und obwohl auch er die Stella Maris absolviert hatte und dort Mitglied der First XV gewesen war, hatten wir uns erst vor ein paar Jahren angefreundet, nachdem Panchito zu den Old Christians gekommen war. Wir waren wie Brüder; zwischen uns herrschte eine tiefe simpatía , auf viele andere müssen wir allerdings wie ein sehr ungleiches Paar gewirkt haben. Panchito war unser Flügelspieler, eine Position, die eine Kombination aus Schnelligkeit, Kraft, Intelligenz, Beweglichkeit und blitzschnellen Reaktionen erfordert. Wenn es in einer Rugbymannschaft überhaupt eine herausgehobene Position gibt, dann ist es die des Flügelspielers, und Panchito füllte sie perfekt aus. Langbeinig und breitschultrig, mit verteufelter Schnelligkeit und der Beweglichkeit eines Gepards, spielte er mit einer solchen natürlichen Eleganz, dass selbst seine brillantesten Spielzüge etwas Müheloses hatten. Aber so schien es Panchito in allem zu gehen, selbst bei seiner größten Leidenschaft: der Jagd auf hübsche Mädchen. Dabei war es natürlich kein Schaden, dass er die blonden Locken eines Filmstars besaß, viel Geld hatte, ein Sportstar war und jenes natürliche Charisma ausstrahlte, von dem die meisten anderen nur träumen konnten. Damals war ich überzeugt, es könne keine Frau geben, die Panchito widerstand, wenn er ein Auge auf sie geworfen hatte. Mädchen zu finden, bereitete ihm keinerlei Schwierigkeiten; es war, als liefen sie ihm ganz von selbst in die Arme, und er gewann sie mit einer solchen Mühelosigkeit für sich, dass es mir manchmal wie Magie vorkam. Einmal sagte er zum Beispiel in der Halbzeitpause eines Rugbyspiels zu mir: »Ich habe ein Date für uns. Die beiden da in der ersten Reihe.«
    Ich blickte in die Richtung, wo die Mädchen saßen. Wir hatten die beiden noch nie gesehen.
    »Wie hast du denn das geschafft?«, fragte ich. »Du warst doch die ganze Zeit auf dem Spielfeld!«
    Panchito wich der Frage aus, aber mir fiel ein, dass er ziemlich zu Beginn des Spiels den Ball einmal ganz in der Nähe der Mädchen ins Aus gespielt hatte. Er brauchte sie nur anzulächeln und ein paar Worte zu sagen – bei Panchito reichte das.
    Bei mir sah die Sache anders aus. Ich teilte zwar Panchitos große Leidenschaft für Rugby, aber mühelos war der Sport für mich nie. Als kleines Kind hatte ich mir bei einem Sturz vom Balkon das Bein gebrochen, und die Verletzung hatte bei mir zu einem leicht X-beinigen Gang geführt, der mir die notwendige Gewandtheit für die herausragenden Positionen in einer Rugbymannschaft genommen hatte. Aber ich war zäh und schnell, also machte man mich zum Zweite-Reihe-Stürmer. Wir Stürmer waren ein gutes Fußvolk: Im Mittelfeld und bei Zweikämpfen setzten wir die Schultern ein, im Gedränge konnten wir kräftig schieben, und in der Gasse sprangen wir hoch, um uns den Ball zu schnappen. Die Stürmer sind in der Regel die größten und kräftigsten Spieler einer Mannschaft, und auch ich war zwar einer der größten, für meine Länge aber recht dünn.Wenn die breiten Schultern durchmarschierten, konnte ich mich nur mit viel Anstrengung und Entschlossenheit gegen sie behaupten.
    Ich war ebenso auf hübsche junge Frauen versessen wie Panchito, und ich träumte auch davon, ein ebenso begabter Herzensbrecher zu werden wie er, aber ich wusste genau, dass ich nicht in seiner Liga spielte. Ein wenig schüchtern, hoch aufgeschossen und schlaksig, mit dicker Hornbrille und durchschnittlichem Aussehen, musste ich mich mit der Tatsache abfinden, dass die meisten Mädchen an mir nichts Besonderes fanden. Ich war nicht etwa unbeliebt – mit Verabredungen klappte es immer wieder -, aber wenn ich behaupten wollte, die Mädchen hätten bei Nando Schlange gestanden, hätte ich lügen müssen. Ich
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