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72 Tage in der Hoelle

72 Tage in der Hoelle

Titel: 72 Tage in der Hoelle
Autoren: Nando Parrado , Vince Rause , Sebastian Vogel
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Gedanken an ein Ende der Rugbyzeit nicht ertragen konnten. Unsere Rettung war der Old Christians Club, ein privater Rugbyverein, den frühere Absolventen unserer Schule 1965 gegründet hatten, weil sie nachrückenden Generationen die Gelegenheit verschaffen wollten, den Sport auch nach dem Ende der Schulzeit weiter auszuüben.
    Als die Christian Brothers nach Uruguay kamen, hatten dort nur die wenigsten Menschen schon einmal eine Rugbypartie gesehen. Ende der sechziger Jahre jedoch gewann die Sportart an Beliebtheit, und es gab viele gute Mannschaften, die gegen die Old Christians antreten konnten. Im Jahr 1965 wurden wir Mitglied der Nationalen Rugbyliga, und wenig später hatten wir als eine der Spitzenmannschaften unseres Landes Fuß gefasst. 1968 und 1970 gewannen wir die Landesmeisterschaft. Durch den Erfolg ermutigt, setzten wir Spiele in Argentinien an, und dabei stellten wir sehr schnell fest, dass wir auch mit den besten Mannschaften dieses Landes durchaus mithalten konnten. 1971 reisten wir nach Chile, wo wir gegen harte Konkurrenz – unter anderem die chilenische Nationalmannschaft – ebenfalls gut abschnitten. Die Reise war ein so großer Erfolg, dass wir uns entschlossen hatten, dieses Jahr, 1972, wiederzukommen. Ich hatte mich schon seit Monaten auf den Ausflug gefreut, und als ich mich in der Flugzeugkabine umsah, gab es keinen Zweifel, dass es meinen Mannschaftskameraden genauso erging. Wir hatten schon so vieles gemeinsam erlebt. Ich wusste, dass die Freundschaften, die ich in der Rugbymannschaft geschlossen hatte, ein ganzes Leben Bestand haben würden, und hier im Flugzeug sah ich zu meiner Freude, wie viele Freunde ich um mich hatte. Da war Coco Nicholich, unser Hakler, einer der größten und kräftigsten Spieler der Mannschaft. Oder der ernste, beständige Enrique Platero, unsere tragende Säule und einer der stämmigen Burschen, die in der ersten Reihe des Gedränges die Anker bildeten. Der Flügelstürmer Roy Harley wich mit seiner Schnelligkeit den Verteidigern aus, sodass diese nur noch in die Luft greifen konnten. Roberto Canessa, auch er ein Flügelspieler, war einer der stärksten und zähesten Spieler auf dem Platz. Arturo Nogueira war unser Verbindungshalb, der großartige lange Pässe schlagen konnte und den Ball besser trat als jeder andere im Team. Den breiten Rücken und den dicken Hals von Antonio Vizintin brauchte man nur zu sehen, dann wusste man, dass er zu den Erste-Reihe-Stürmern gehörte, die im Gedränge die größte Last trugen. Gustavo Zerbino, dessen Mut und Entschlossenheit ich immer bewundert hatte, war ein vielseitiger Spieler und konnte viele Positionen besetzen. Und Marcelo Perez del Castillo, auch er ein Flügelstürmer, war sehr schnell, sehr tapfer, ein großartiger Ballträger und ein wild entschlossener Angreifer. Marcelo war außerdem unser Mannschaftskapitän, eine Führungsgestalt, der wir unser Leben anvertraut hätten. Es war seine Idee gewesen, noch einmal nach Chile zu reisen, und ohne seinen Einsatz wäre das Unternehmen nicht auf die Beine gestellt worden. Er hatte das Flugzeug gechartert, die Piloten engagiert, die Spiele in Chile organisiert und bei uns allen eine gewaltige Vorfreude auf den Ausflug geweckt.
    Es waren noch mehr: Alexis Hounie, Gastón Costemalle, Daniel Shaw, auch sie großartige Spieler und meine Freunde. Aber mein ältester Freund war Guido Magri. Wir hatten uns an unserem ersten Tag auf der Schule Stella Maris kennen gelernt – ich war damals acht, Guido ein Jahr älter – und waren seither unzertrennlich. Guido und ich wuchsen zusammen auf, spielten Fußball und teilten die Liebe zu Motorrädern, Autos und Autorennen. Mit fünfzehn besaßen wir Mopeds, die wir auf verrückte Weise – durch Entfernen von Schalldämpfer, Blinkern und Schutzblechen – aufgemotzt hatten, und damit fuhren wir dann zu Las Delicias, einer berühmten Eisdiele in unserem Stadtviertel, wo wir über die Mädchen aus der nahe gelegenen Schule Sagrado Corazón herzogen, natürlich immer in der Hoffnung, sie mit unseren getunten Vehikeln zu beeindrucken. Guido war ein zuverlässiger Freund mit einem angenehmen Sinn für Humor und immer einem Lachen auf den Lippen. Außerdem war er ein ausgezeichneter Gedrängehalb, schnell und schlau wie ein Fuchs, mit geschickten Händen und großem Mut. Unter der Anleitung der Christian Brothers lernten Guido und ich den Rugbysport mit einer alles verzehrenden Leidenschaft lieben. Saison um Saison arbeiteten wir an der
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