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70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament

Titel: 70 - Der Weg zum Glück 05 - Das gefälschte Testament
Autoren: Karl May
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eine!“
    „Das ist gar nicht notwendig. Schau dich nur in deiner nächsten Nähe um.“
    „O Jerum! Wen gibt's in meiner Nähe? Dem Wendlers Michel die seinige? Das ist die nächste Nachbarin. Die hat Sommerflecken im Gesicht, so groß, daß man gleich einen Reitsattel hat, wann man so einen Sommerfleck aufs Pferd legt. Und faul und schmutzig ist sie halt auch.“
    „Die mein ich nicht.“
    „Die nächste ist die Körners Walburgi. Soll ich mich in die verlieben? Die hat ein schiefes Bein und dazu das böse Wesen.“
    „Wer redet denn von der!“ sagte sie ungeduldig.
    „Nun, danach kommt dem Rankenmüller seine Franzi. Die kann mir gar stohlen werden. Einen Schnurrbarten hat's unter der Nasen wie ein Artilleriefeldwebel; dabei stets die Schwindsucht und hustet so lieblich, daß man denkt, eine Lokomotive kommt aus dem Geleise.“
    „Fritz, ärgere mich nicht! Ich meine doch keine von diesen. Ich habe sagt, daßt dich in deiner nächsten Nähe umschauen sollst.“
    „Das war's doch auch. Ich hab doch nur von denen nächsten drei Nachbarn sprochen.“
    „Wohnt der Nachbar in der nächsten Nähe oder nicht?“
    „Nein, sondern nur nebenan. Die nächste Nähe ist nicht so weit.“
    „Die nächste Nähe ist nicht so weit.“
    „Ach so, dann meinst gar unsern eigenen Hof, den Kronenhof?“
    „Ja. Gibt's den da keine Hübsche, der du gut sein könntest?“
    „Nein.“
    „Besinne dich!“
    Sie legte ihm vertraulich die Hand auf die Achsel und schaute ihm mit warmem, verführerischem Blick in die Augen. Er tat, als ob er dies gar nicht bemerkte und antwortete lachend:
    „Ja, eine weiß ich gar wohl.“
    „Nun, wer ist sie? Ist sie hübsch?“
    Sie dachte, er würde jetzt sich den Mut nehmen, ihren eigenen Namen zu nennen. Er aber sagte:
    „Hübsch ist sie wohl, sehr hübsch. Wann sie barfuß läuft, so sehen die Füßen so schwarz, daß man meint, sie hat die langen Wasserstiefeln an. Ein Schnupftuchen braucht's nicht, weil's alles gleich mit den Fingern besorgt. Elf Zähne hat's und daneben einundzwanzig Zahnlücken, und mit dem rechten Aug schaut's zum linken Ohr hinüber. Das ist die Großmagd, die Vinzenza.“
    „Mein Himmel! Sei doch nicht so albern! Wie kann ich denn an diese denken. Ich werd sie überhaupt wegen ihrer Unreinlichkeit fortjagen. Such dir eine andere! Es gibt eine viel, viel Hübschere da!“
    „So? Hm! Das ist auch eine Geschmackssache. Da ist nachher die zweite Magd. Die reicht mir grad bis an die Westentaschen und hat eine Taille wie eine Allgäuer Kuh. Die Nasen blickt zum Himmel und die Ohrenlappen kann man gut benutzen, um einen um einen Zentner Kartoffeln darinnen fortzuschaffen. Wenn –“
    Er kam nicht weiter, denn es raschelte abermals in den Büschen. Sie wurden mit Gewalt auseinandergeschoben, und vor den beiden stand der Oheim Marthas, der Förster Wildach.
    Er war von hoher, stattlicher Figur und war ganz gewiß ein hübscher, ansehnlicher Bursche gewesen. Jetzt aber hatte er wohl die Fünfzig erreicht. Tiefe Falten durchfurchten ihm Stirn und Wangen, ein sicheres Zeichen, daß seine Vergangenheit eine sehr unruhige und von stürmischen Leidenschaften bewegte gewesen sei. Seine Nase war scharf und spitz, wie man sie bei ausgesprochenen Geizhälsen so oft findet, und sein Blick so unangenehm stechend, wie seine Stimme klanglos und schneidend war. Man ging ihm am liebsten aus dem Weg.
    Er war, wie bereits von Martha erwähnt worden war, mit seiner Nichte gekommen, scheinbar um dem Gottesdienst beizuwohnen, eigentlich aber aus einem anderen Grund – er wollte mit der Kronenbäuerin zusammentreffen.
    Als er jenseits mit seiner Nichte den Berg heraufgestiegen war – er kam nämlich von der dem Dorf entgegengesetzten Seite – blieb er stehen und tat, als ob das Bergsteigen ihn so angegriffen habe, daß ihm der Atem ausgegangen sei.
    „Geh hinein!“ sagte er. „Es wird sogleich beginnen. Ich aber muß mich vorher noch ein wenig verschnaufen.“
    Sie gehorchte ohne Widerrede. Der Oheim duldete überhaupt keinen Widerspruch. Er war es gewöhnt, daß jeder seiner Befehle sofort und unbedenklich vollzogen werde.
    Kaum war sie in der Kapelle verschwunden, so eilte er mit schnellen Schritten über den Grasplatz hinüber und blickte nach dem Dorf hinab. Er sah die Kronenbäuerin unten am Berg gehen.
    Sie beide, nämlich er und die Bäuerin, hatten ihre ganz bestimmte Minute verabredet. Kam eins von beiden früher oder später zur Kirche, so war dies ein stilles, aber
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