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67 - Der Weg zum Glück 02 - Die Dorftyrannen

67 - Der Weg zum Glück 02 - Die Dorftyrannen

Titel: 67 - Der Weg zum Glück 02 - Die Dorftyrannen
Autoren: Karl May
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akkurates Weibsbild.“
    Als die Alte den vornehmen Herrn kommen sah, machte sie einen tiefen Knicks und fragte:
    „Wen bringst denn da zu uns, Sepp?“
    „Das ist dera Herr, welcher den Bombyx sucht, weißt, was ich euch verzählt hab.“
    „Ja ich weiß.“
    „Und er will dich fragen, ob er bei dir wohnen kann auf ein paar Tagen, liebes Bärbel.“
    Liebes Bärbel! So hatte der Sepp noch nie zu ihr gesagt. Ihr Gesicht glänzte vor Freude. Sie machte noch einen Knicks und meinte:
    „Ja, wanns zufrieden sein wollen, lieber Herr, mit unserer armen Mühlen, so können 'S uns gar gern willkommen sein. Reich sind wir halt nicht; aber sauber will ich's Ihnen schon machen, daß ich mich nicht nachher noch zu schämen hab. Bitt sehr schön! Kommen 'S herein und sein 'S willkommen!“
    Die drei verschwanden in der Tür. Bereits nach kurzer Zeit kam der Sepp wieder heraus. Er hatte einen heimlichen Befehl nach dem Forsthaus zu bringen. Als er sich dieses Auftrages entledigt hatte, war der Nachmittag so ziemlich vergangen, und da er für heut nun von dem König beurlaubt war, so beschloß er, sich heimlich in der Nähe des Wehrs auf die Lauer zu legen, falls der Silberbauer vielleicht bereits am Tag dort etwas zu suchen habe. Mit dem Lehrer hatte er ausgemacht, daß dieser sich am Abend dort einstellen werde.
    Walther seinerseits war nach beendeter Nachmittagsschule hinaus ins Freie gegangen, um da, beeinflußt von den Reizen des herrlichen Sommertags, den letzten Aktschluß seines Theaterstücks zu vollenden. Er hatte sich am Waldrand ein reizendes Plätzchen ausgesucht, das Taschenschreibzeug hervorgenommen und zu arbeiten begonnen. Er befand sich in ausgezeichneter Stimmung, und die Worte flossen ihm so schnell von der Feder, daß er bald zu Ende war. Er steckte das Schreibzeug wieder ein und streckte sich auf dem warmen, duftenden Boden aus.
    Da schwebte ein Schmetterling heran, ein großer, prächtiger Trauermantel. Der Lehrer war Schmetterlingssammler. Er sprang auf, nahm den Hut in die Hand, und die Jagd begann, wobei er gar nicht beachtete, daß er sich weiter und immer weiter von dem Plätzchen entfernte.
    Bald kam ein anderer langsam daher, der König. Dieser hatte bemerkt, daß er der alten Barbara überrascht gekommen war, und darum hatte er einen Spaziergang unternommen, um ihr Zeit zu lassen, die zwei kleinen Oberstübchen für den Herrn Ludwig in Glanz und Wichs zu bringen. Jetzt befand er sich auf dem Heimweg. Er sah das ziemlich dicke Heft liegen, hob es auf und blätterte darinnen. Seine Züge nahmen, je weiter er schritt, den Ausdruck desto größerer Spannung an. Als er bei der Mühle anlangte, empfing ihn die Barbara mit hoch geröteten Wangen.
    „Jetzt nun können 'S heraufkommen, Herr Ludewig“, sagte sie. „Wollen sehen, ob's Ihnen gefallen wird.“
    „Ja, meine Beste. Aber sagen Sie mir vorher vor allen Dingen, ob es hier einen Dichter gibt.“
    Sie schüttelte fast erschrocken den Kopf.
    „Einen Dichtern? Nein, Gott sei Lob und Dank, einen Dichtern haben wir hier noch nimmer habt.“
    „Oder wohnt sonst jemand hier, der sich mit der schönen Literatur beschäftigt?“
    „Ein Liter Natur?“ brummte sie leise. „Hm, sonderbar!“
    Und laut fügte sie hinzu:
    „Schön ist sie wohl sehr, aber hier hat niemand Zeit, sich extra mit ihr abzugeben.“
    „Gibt es außer dem Pfarrer und dem Lehrer noch studierte Leute im Dorf?“
    „Nein.“
    „Der Pfarrer ist kein Dichter?“
    „Nein, obgleich er von seinen paar Kreuzern gar ärmlich leben muß.“
    Sie hatte nämlich die Ansicht, daß ein Dichter von Gottes und Rechts wegen zum Hungern verurteilt sei.
    „Aber der Lehrer dichtet wohl?“
    „Das fallt ihm halt gar nicht ein. Der, wann er was zu essen hat, kann gar derb einhauen. Das hab ich gestern am Spätabend bemerkt.“
    Infolge ihrer obigen Ansicht hegte sie auch die Überzeugung, daß ein Dichter einen so schwachen Magen habe, daß bei ihm gar keine Rede von einem richtigen, kräftigen ‚Einhauen‘ sein könne.
    Der König erriet ihren Gedankengang und sagte mit freundlichem Lächeln:
    „Ich habe soeben draußen am Waldrand dieses Heft gefunden und wünsche sehr, den Besitzer desselben zu erfahren. Wo ist der Müller? Ich will auch ihn einmal fragen.“
    „Er ist drüben in dera Mühlen. Wann 'S ihm das Geschreib zeigen wollen, glaub ich dennerst nicht, daß er sagen kann, von wem es ist. Aber versuchen können Sie's halt.“
    Sie hatte recht. Als der König zu dem Müller kam, um
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