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617 Grad Celsius

Titel: 617 Grad Celsius
Autoren: Horst Eckert
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nicht zu erreichen.
    Anna tippte die Privatnummer ihrer Chefin in die Tasten.
    »Bach.«
    »Ich bin’s, Anna.«
    »Willkommen zu Hause.«
    »Danke. Ich wollte dich fragen, ob ich ein paar Tage Urlaub nehmen kann, bevor ich wieder …«
    »Kommt gar nicht infrage. Du bist fest eingeplant. Regulärer Dienst plus Mordbereitschaft ab Montag.«
    »Aber …«
    »Das halbe Kommissariat ist krank, in Urlaub oder auf Fortbildung. Es passt perfekt, dass du vorzeitig zurückgekommen bist. Fürs Erste wirst du ohnehin nur Papierkram zu erledigen haben.«
    »Du bist mir nicht mehr böse, weil ich abgehauen bin?«
    »Wir verdrängen das, okay? Wo wohnst du jetzt?«
    »Bei meinem Vater in Holzbüttgen. Weißt du zufällig eine Wohnung in Düsseldorf?«
    »Nein, aber frag mal Ingo Ritter, den Kollegen aus der Kriminalwache.« Ela gab die Nummer des Beamten durch. Sie erklärte, dass Ritter im Nebenjob als Makler arbeite, und tat so, als müsse Anna ihn kennen.
    »Früher hat er mit Aktien spekuliert«, sagte Bach. »Nach dem Börsencrash ist er auf Immobilien umgestiegen. Wenn du Glück hast, kann er dir einen Polizistenrabatt aushandeln.«
    Anna fragte: »Sonst etwas Neues?«
    »Unruhen im Irak, Flugzeugabsturz in Kolumbien, Schuldenlöcher im Staatshaushalt. Das Übliche. Die Wahlen stehen bevor, es hat sechzehn Grad Höchsttemperatur im Rheinland und wir schreiben den 7. Mai.«
    »Ich meine, irgendetwas im Fall Odenthal?«
    »Ganz Deutschland wünscht dem Kerl, dass er bis zum Ende seiner Tage nicht mehr auf die Menschheit losgelassen wird. Warum fragst du?«
    »Nur so. Bis Montag dann.«
    »Der Fall beschäftigt dich noch immer?«
    Annas nächster Anruf galt Ritter, dem makelnden Kollegen. Die Kriminalwache war nachts und an den Wochenenden im Einsatz, wenn die restliche Kripo Feierabend hatte. Vermutlich hatte sie den Kollegen mal an einem Tatort getroffen.
    Seine Stimme ließ die Erinnerung konkreter werden: ein gut gelauntes Lächeln, gekrönt von einem buschigen Schnauzbart. Sonnenbräune wie frisch aus dem Skiurlaub. Der Typ von Mann, der an keiner Kollegin vorbeikam, ohne mit ihr zu flirten.
    Ritter fragte: »Altbau in guter Lage mit Balkon oder Dachterrasse?«
    »Richtig. Zwei bis drei Zimmer, aber nicht an einer Durchgangsstraße.«
    »Klar, das wollen alle. Wie viel kannst du anlegen?«
    Plötzlich fiel ihr ein, wo sie ihm zuletzt begegnet war. Am liebsten hätte sie wieder aufgelegt. »Achthundert«, erwiderte sie stattdessen.
    Der Kollege ließ sich ihre Handynummer geben und versprach, sich zu melden.
    Beim dritten Versuch erreichte sie endlich Michael Lohse.
    »Herzliches Beileid«, sagte Anna.
    »Ich dachte, du kommst erst im Juni zurück.«
    »Mein Vater hatte einen Herzinfarkt.«
    »Hab davon gehört.«
    »Zum Glück ist es nicht so schlimm. Meld dich mal bei ihm, er wird sich freuen.« Sie nannte ihm die Nummer der Klinik. Dann ergänzte sie: »Papa meint, Karin hätte vermutlich Selbstmord begangen.«
    Der Mann am anderen Ende der Leitung räusperte sich. Anna fiel ein, dass sie ihn nicht einmal in den Tagen nach dem Mord an seinem Sohn hatte heulen sehen – ein Macho alter Schule, zumindest gab er sich so. Lohse antwortete: »Es gab keine Bremsspur und keinerlei technischen Defekt. Und Karin hatte über zwei Promille Alkohol im Blut. Alles Weitere ist pure Spekulation.«
    »Betrunken am Steuer? Das sieht ihr gar nicht ähnlich.«
    »Der Mord an unserem Jungen hat uns alle verändert.«
    Anna hatte diesen Satz so ähnlich schon in Karins Brief gelesen. Sie wünschte sich, dass es ein Unfall gewesen war – dann traf sie, Anna, keine Schuld. Sie sagte: »Karin hat mir geschrieben, dass sie sich mit einem Bekannten von Daniel getroffen hat. Hast du eine Ahnung, wer das ist?«
    »Ein Bekannter von Daniel? Er hatte zu viele Bekannte.« Lohse wurde lauter. »Zu viele verdammte arschfickende Homo-Freunde!«
    »Michael«, versuchte Anna, ihn zu bremsen.
    Er stockte, dann sagte er: »Ich weiß, dass solche Typen bisweilen toll darin sind, Ballett zu tanzen oder Klamotten zu entwerfen. Neuerdings moderieren sie auch Shows im Fernsehen oder treten als Politiker auf. Niemand darf wegen seiner sexuellen Orientierung diskriminiert werden und keiner kann mir nachsagen, dass sich Kriminalhauptkommissar Lohse nicht daran halten würde. Aber heute habe ich dienstfrei und man wird in dieser Republik einen Perversen doch noch so nennen dürfen!«
    »Hey, du beleidigst deinen toten Sohn.«
    »Nein, Anna, nein! Daniel war nicht
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