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616 - Die Hoelle ist ueberall

Titel: 616 - Die Hoelle ist ueberall
Autoren: David Zurdo
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umgeben, und dieser Armleuchter interessierte sich nur für seine verfluchte Rose!
    »Kommen Sie sofort mit, sonst mache ich Ihnen Beine, das schwöre ich bei Gott!«
    Seine Drohung ging in einem erneuten Knarren und dem darauffolgenden Hustenanfall unter. Der Feuerwehrmann zog den Kopf ein und drückte sich ans Bett, denn nun kam in einem Meer von Flammen und Glut das halbe Dach herunter. Daniel stieß ein schreckliches Geheul aus und rollte sich ur-plötzlich unter dem Bett hervor, wobei er den Feuerwehrmann umwarf. Es war unglaublich, dass er noch so viel Kraft hatte.
    »Kommen Sie zurück!«
    Er sah, wie Daniel die Treppe hinauflief. Fluchend rannte er hinterher. Das Dach brannte, ebenso das, was vom Fußbo-den noch übrig war. Und inmitten dieses Flammenmeers stand Daniel und suchte verzweifelt zwischen den brennenden Möbeln. Sein Atem rasselte, und er verbrannte sich die Hän-de, doch er gab nicht auf. Er stammelte kaum verständlich: »Ich kann meine Rose nicht finden.« Dem Feuerwehrmann zerriss es das Herz. Er hatte es mit einem Wahnsinnigen zu tun. Allmählich gaben die hölzernen Dielen unter seinem Gewicht nach. Doch er musste Daniel retten. Dieser achtete nicht darauf, dass der Feuerwehrmann neben ihn trat. Sekunden später versank die Welt für Daniel in Schwärze. Der Feuerwehrmann fing ihn auf und warf ihn sich über die Schulter. Er wog so wenig …
    Es war Tag. Selbst die längste Nacht endet irgendwann. Und die vergangene Nacht war sehr lang gewesen. Eine der längsten, an die der Feuerwehrmann Joseph Nolan sich erinnerte. Insgesamt hatten sie zehn Löschfahrzeuge benötigt, doch schließlich hatten sie den Brand unter Kontrolle bekommen. Dennoch war alles abgebrannt. Von dem, was zu-vor eine wunderschöne Stätte des Gebets gewesen war, blieb lediglich ein immer noch rauchender, schwärzlicher Trüm-merhaufen. Er sagte sich erneut, er habe noch nie erlebt, dass ein Feuer ein Gebäude so wütend verzehrt hatte. So ähnlich musste es gewesen sein, als 1972 beim Brand des Vendange Building neun Feuerwehrleute ums Leben gekommen waren, darunter auch Josephs Vater. Das war die größte Tragödie in der Geschichte der Bostoner Feuerwehr gewesen.
    Es war warm, doch er fror trotzdem. Der Rücken tat ihm weh, und von Zeit zu Zeit überkam ihn ein Hustenanfall. Alles in allem nichts Gravierendes. Der Arzt hatte gesagt, er könne von Glück reden: Hätte er noch mehr Rauch eingeat-met, ginge es ihm jetzt wie Daniel … der Ärmste. Nachdem der Krankenwagen ihn abgeholt hatte, war Nolan klargeworden, dass der Mann geistig behindert war und nichts auf der Welt mehr liebte als seine Pflanze, seine Rose. Die vermaledeite Rose, die sie beinahe beide das Leben gekostet hätte – und Daniel vielleicht noch das Leben kosten würde.
    Nolan wusste nicht genau, was er hier wollte. Er war kei-ner von denen, die an den »Ort des Verbrechens« zurückkehren. Wenn er wieder einmal einen Brand überlebt hatte, wollte er nur noch alles vergessen, nach Hause zurückkehren und seine Kinder umarmen. Sonst nichts. Doch heute hatte er dem Impuls nicht widerstehen können.
    Er ging wieder links um das Gebäude herum und zu den verkohlten Überresten von Daniels Zuhause, einem ehemaligen Stall, den er sich mit Säcken voller Erde und Dünger so-wie den Gerätschaften seines Berufs – er war der Klostergärt-ner – geteilt hatte. Nolan kletterte auf den Trümmerhügel. Verkohlte Holzstücke ragten daraus hervor wie verfaulte Zähne. Auf eines setzte sich ein Vogel. Das Leben geht immer weiter. Der Feuerwehrmann schreckte den Vogel auf, und das Tierchen flog zu den Überresten der ehemaligen Hauswand. Da sah er den Blumentopf. Der Feuerwehrmann ging hin und schreckte den Vogel dabei erneut auf. Diesmal schien er ihm einen vorwurfsvollen Blick zuzuwerfen. Wundersamerweise waren der Blumentopf und die Pflanze darin unbeschädigt.
    Doch Daniels Rose war nur ein trockener toter Stengel. Und zwar nicht erst seit dem Brand.

3
    Boston
    Das St. Elizabeth’s Medical Center – von allen, die es kannten, liebevoll St. Es genannt – blickte auf eine beinahe fünf-zigjährige Geschichte zurück, doch dem Wesen nach war es unverändert geblieben: Es war ein Krankenhaus für die Ar-men und Bedürftigen. Dort war Daniel, der alte Gärtner des Klosters, in dem zwei Wochen zuvor der verheerende Brand gewütet hatte, eingeliefert worden. Selbst nach so langer Zeit schien noch niemand zu wissen, ob Daniel überleben würde. Er hatte
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