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616 - Die Hoelle ist ueberall

Titel: 616 - Die Hoelle ist ueberall
Autoren: David Zurdo
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Insassen, einem dicken Bischof und einem jungen Priester, die hintere Tür. Gemäch-lich stiegen die beiden aus. Die Fahrt von Madrid hatte nicht länger als eineinhalb Stunden gedauert, doch die Gesundheit des Bischofs war durch sein Alter und seine Fettleibigkeit angeschlagen. Ihm war ein wenig schwindelig, und so strauchel-te er beim Aussteigen, so dass der Chauffeur ihm die Hand reichen musste, damit er nicht aufs Pflaster stürzte.
    »Antonio«, sagte der Bischof, »bitte gehen Sie in ein Café und kaufen Sie ein paar Erfrischungsgetränke. Diese Hitze ist unerträglich …«
    Der Bischof schwitzte stark. Er nahm die Mitra ab und wischte sich mit der flachen Hand über die Glatze. Der ande-re Priester hatte eine helle Haut und blaue Augen. Er betrachtete den Bischof nachsichtig.
    Im Handumdrehen war der Fahrer mit einigen gekühlten kleinen Flaschen zurück. Die Bedienung des Cafés kam her-aus, neugierig, welche bedeutende Persönlichkeit in ihr Dorf gekommen sein mochte. Auch die alten Leute, die um diese Zeit ihre Partie Domino spielten, streckten neugierig die Köpfe heraus. Sie sahen, dass der Bischof und der Priester zur Kirche gingen. Nun wussten sie Bescheid, denn sie hatten in der letzten Messe davon erfahren: Das waren die Abgesandten des Heiligen Stuhls im Heiligsprechungsverfahren von Don Higinio, der bis zu seinem Tod zu Beginn des Spanischen Bürgerkriegs Pfarrer in der Gemeinde Horcajo de las Torres gewesen war. Der Bischof war zweifellos der Geistliche, der die letzten Nachforschungen anstellen sollte, mit denen sich erwies, ob ein Mann oder eine Frau die Heiligsprechung verdiente.
    Doch die Dorfbewohner irrten sich teilweise. Der Bischof war ein von der spanischen Kirche aufgezwungener Begleiter. Der Abgesandte der Kongregation für die Selig-und Heiligsprechungsprozesse war der jüngere Priester, ein nordameri-kanischer Jesuit namens Albert Cloister, der in Rom diente. Seine Mission bestand darin, die sterblichen Überreste von Don Higinio zu exhumieren, der einige Jahre zuvor seligge-sprochen worden war und in der gesamten Region als Heiliger galt. Seine Güte, seine reine Seele hatten ihn zwangsläufig zum Ziel für die Attacken des Erbfeindes gemacht. Aus einem heftigen inneren Kampf war er mit Hilfe Gottes als Sieger hervorgegangen, doch die Stigmata in seinen Handflächen waren ihm geblieben.
    Die Kirche betrachtete Stigmatisierte als Empfänger einer göttlichen Gabe. Kurz nach dem Tod von Don Higinio wandte sich eine alte Frau im Gebet mit der Bitte an ihn, ihre Enkelin zu retten, ein achtjähriges Mädchen, das an einer da-mals unheilbaren Knochenerkrankung litt. Das Mädchen wurde gesund, ohne dass die behandelnden Ärzte eine befriedigende wissenschaftliche Erklärung gehabt hätten. Fünf Jahre später wiederholte sich das Ganze bei einem frommen Mann, der als Junge in eine Schlucht gestürzt und seitdem gelähmt war. Seit seinem Unfall hatte der Mann jeden Tag ausnahms-los zu Don Higinio gebetet, er möge sich beim Herrn dafür einsetzen, dass dieser ihn von seinem Gebrechen erlöse. Diesmal dauerte das Wunder zehn Jahre – genau zehn Jahre. Am zehnten Jahrestag seines Sturzes erlangte der Mann die Fähigkeit zu gehen zurück, obwohl die Ärzte ihm versichert hatten, das Rückenmark sei durchtrennt und er werde nie mehr aufstehen können.
    Die Gemeinde Horcajo, deren Kirche dem heiligen Julian und der heiligen Basilissa geweiht war, wurde nun von einem strengen, reaktionären kastilischen Priester geführt, der so alt wirkte wie die Mauern der Kirche. Bis vor wenigen Monaten hatte ihm ein junger Bursche aus Madrid als Koadjutor zur Seite gestanden, doch der war an Leukämie gestorben und noch nicht ersetzt worden. Und vielleicht würde es angesichts der geringen Größe des Dorfes und des Nachwuchsmangels in diesen Zeiten der Zügellosigkeit und des Internets auch kei-nen Ersatz geben. Das globale Netzwerk war eine der Lieb-lingszielscheiben für den Zorn des Priesters. »Da ist das Böse«, pflegte er zu sagen, »die Perversion, die die Welt überschwemmt.« Auch die moderne Musik hatte der gestrenge Pfarrer häufig im Visier, und »die Jugend« in den Städten stellte er sich als Horden verrückt gewordener Burschen mit lan-gen Haaren vor, betrunken und drogenabhängig, denen Mäd-chen in aufreizender Kleidung und mit dümmlicher Miene hinterherliefen. Er beklagte bitterlich, dass er nicht mehr die Autorität habe, solchen Aberwitz zu unterbinden …
    »Ich freue mich, Sie zu
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