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61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Titel: 61 Stunden: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
Autoren: Lee Child
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Vorderräder hingen mit gestreckten Stoßdämpfern herab. Der Motor war abgestorben, und die einzigen Geräusche stammten von heißen Busteilen, die im Schnee zischten, der Druckluftbremse, die sich sanft fauchend entleerte, und den Fahrgästen, die erst kreischten, dann stöhnten und dann sehr still wurden.
    Die Pauschalreisenden bildeten eine ziemlich homogene Gruppe – bis auf eine Ausnahme. Zwanzig weißhaarige Senioren und ein jüngerer Mann in einem Bus mit vierzig Plätzen. Zwölf der Senioren waren Witwen. Die restlichen acht bildeten vier alte Ehepaare. Alle kamen aus Seattle. Sie waren eine Kirchengemeindegruppe auf Kulturreise und hatten die Little Town on the Prärie gesehen. Jetzt waren sie auf der langen Fahrt nach Westen zum Mount Rushmore unterwegs. Ein Abstecher zum geografischen Mittelpunkt der USA war versprochen worden. Unterwegs würden sie Nationalparks und Prärien besichtigen. Ein schöner Reiseplan, aber die falsche Jahreszeit. South Dakota im Winter war nicht für seine Gastfreundlichkeit berühmt. Daher die fünfzig Prozent Rabatt auf den ohnehin nicht hohen Reisepreis.
    Bei dem einzelnen Mitreisenden handelte es sich um einen Mann, der mindestens dreißig Jahre jünger war als der nächstjüngste Fahrgast. Er saß drei Reihen hinter den letzten Senioren in einer eigenen Sitzreihe. Die anderen hielten ihn für eine Art blinden Passagier. Er war erst an diesem Tag in einer Raststätte östlich der Kleinstadt Cavour zugestiegen. Nach Little Town on the Prairie, vor dem Dakotaland-Museum. Für sein Zusteigen wurde keine Erklärung abgegeben. Er war einfach mit eingestiegen. Einige hatten beobachtet, wie er zuvor mit dem Busfahrer gesprochen hatte. Manche behaupteten, dabei habe Geld den Besitzer gewechselt. Niemand wusste, was man davon halten sollte. Hatte er für die Mitfahrt bezahlt, war er kein blinder Passagier, sondern reiste eher im Zwischendeck – wie ein Anhalter, aber doch nicht ganz.
    Jedenfalls schien er ein ganz netter Bursche zu sein. Er war schweigsam und höflich, einen guten Kopf größer als seine Mitreisenden und bestimmt sehr stark. Nicht gut aussehend wie ein Filmstar, aber auch nicht hässlich. Vielleicht ein ehemaliger Leistungssportler. Möglicherweise hatte er Football gespielt. Nicht besonders gut angezogen. Unter einer gefütterten Segeltuchjacke trug er ein verknittertes, über seine Jeans hängendes Hemd. Er besaß kein Gepäck, was viele merkwürdig fanden. Aber insgesamt war es vage beruhigend, solch einen Mann an Bord zu haben, vor allem nachdem er sich als zivilisiert und in keiner Weise bedrohlich erwiesen hatte. Bedrohliches Verhalten von einem Mann dieser Größe wäre unschicklich gewesen, gute Manie ren hingegen waren charmant. Einige der couragierteren Witwen hatten überlegt, ihn in ein Gespräch zu verwickeln, aber der Mann schien solche Versuche abzublocken. Unterwegs schlief er die meiste Zeit, und seine Reaktion auf versuchte Gesprächseröffnungen war zwar durchaus höflich, aber knapp und völlig nichtssagend gewesen.
    Aber sie wussten jetzt wenigstens, wie er hieß. Einer der Männer hatte sich ihm vorgestellt, als er von der Toilette kommend an ihm vorbeigegangen war. Der große Fremde hatte zu ihm aufgesehen und kurz gezögert, als wäge er die Vor- und Nachteile einer Antwort ab. Dann hatte er die hingestreckte Hand ergriffen und »Jack Reacher« gesagt.

2
    Reacher wachte auf, als er durch die Wucht des Schleuderns mit dem Kopf an die Scheibe krachte. Er wusste sofort, wo er war. In einem Bus . Die nächsten Zehntelsekunden verbrachte er damit, seine Chancen zu berechnen. Schnee, Eis, normale Geschwindigkeit, nicht viel Verkehr. Wir rammen die Mittelleitplanke oder landen im Straßengraben. Schlimmstenfalls kippen wir um. Kein großes Problem für ihn. Vielleicht nicht so gut für die alten Leute vor ihm. Aber sie würden vermutlich überleben. Mehr Sorgen machte ihm, was danach kommen würde. Zwanzig alte Men schen, durchgerüttelt, vielleicht verletzt, Schnitte, Prellungen, Knochenbrüche, in einem aufkommenden Wintersturm meilenweit von der nächsten Stadt entfernt im Nirgendwo gestrandet.
    Nicht gut.
    Die folgenden elfeinhalb Sekunden verbrachte er damit, sich festzuhalten und den wechselnden Beschleunigungskräften der Schlingerbewegungen mit angespannten Muskeln Widerstand zu leisten. Als hinterster Fahrgast spürte er sie am meisten. Die alten Leute vor ihm beschrieben kürzere Bogen. Aber sie waren gebrechlich. Er konnte sehen, wie
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