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61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

Titel: 61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig
Autoren: Karl May
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war dem Buchhändler ganz so zumute, als ob er sich im Fegefeuer befinde. Es waren so viele Leute im Laden, welche mit größter Spannung der laut geführten Unterhaltung folgten. Aber konnte er diesem hochgestellten Mann die geforderte Auskunft verweigern?
    „Die erste Auflage wurde bezahlt“, antwortete er kleinlaut.
    „Warum die anderen nicht?“
    „Es gab nicht Gelegenheit dazu.“
    „Wohl weil der Verfasser gar nicht um die Erlaubnis zu den folgenden Auflagen gefragt wurde!“
    „Er hat das Honorar nie verlangt.“
    „Ein ehrlicher und pünktlicher Verleger zahlt trotzdem. Übrigens lügen Sie! Ich selbst bin Zeuge gewesen, daß der berühmte Hadschi Omanah Sie aus Hunger um einen kleinen Vorschuß bat, doch vergebens; Sie wiesen ihn vor allen Leuten zur Tür hinaus, ihn, dem Sie, selbst wenn die weiteren Auflagen rechtlich waren, doch achtzig Gulden schuldeten. Sie schämen sich sogar, seinen wirklichen Namen zu nennen! Ich erkläre Ihnen, daß ich die Rechte des Dichters vertrete und verbiete Ihnen infolgedessen, auch nur ein einziges Exemplar zu verkaufen, bis die Rechtsfrage des Verlages an Gerichtsstelle entschieden ist. Sie lassen den Dichter verhungern, während Sie seine Erzeugnisse in Saffian binden. Man wird untersuchen, auf wessen Kosten das letztere geschehen ist. Kommen Sie, liebe Baronesse! Hier darf man nicht Bücher kaufen, da man befürchten muß, daß die Verfasser derselben verhungert sind.“
    Er gab Fanny den Arm und verließ mit ihr den Laden. Solche Worte waren hier noch nie gesprochen worden. Durch sie war, das sah der Buchhändler ein, seinem Geschäft der Todesstoß versetzt worden; denn sie wurden jedenfalls von allen Anwesenden weitergetragen und hatten sich bereits morgen in der ganzen Residenz verbreitet.
    „War das nicht ein wenig zu hart, Durchlaucht?“ fragte Fanny, als sie miteinander in der Equipage saßen.
    „Nein“, antwortete der Fürst. „Denken Sie sich den reichen Mann, der dem Hungernden den wohlverdienten Lohn vorenthält und ihn außerdem durch die Tür wirft. Wie viele Tränen sind in der Wasserstraße geflossen; welcher Hunger und Kummer, welche Not wurde erduldet, während die Gedichte des berühmten Elenden in den feinsten Salons prangten. Übrigens halte ich diesen Zimmermann für einen Betrüger, welcher ohne Erlaubnis drucken ließ. In diesem Fall hat er keine Nachsicht zu erwarten.“
    Sie erreichten das Gerichtsgebäude und wurden sofort vom Assessor empfangen, bei welchem sich noch der Arzt befand. Der erstere bedankte sich abermals für die Bereitwilligkeit, mit welcher die Baronesse seine Bitte erfüllt hatte, und fügte hinzu:
    „Leider hat sich unsere Erwartung nicht bewährt. Kaum war sein Geist erwacht, so sank er wieder in Finsternis.“
    „Vielleicht wäre es besser gewesen, ihn nicht zu unterbrechen“, bemerkte der Fürst. „Oder wäre es vielleicht geraten, ihn in der Zelle zu besuchen? Vielleicht macht das Erscheinen des gnädigen Fräuleins dort einen glücklicheren Eindruck auf ihn.“
    „Wie meinen Sie, Doktor?“ fragte der Assessor.
    „Hm! Ich möchte den Kranken nicht überanstrengen.“
    „Meinen Sie wirklich, daß von Überanstrengung hier eine Rede sein kann? Der Kranke muß und soll sich ja anstrengen, um sich selbst wiederzufinden“, sagte der Fürst.
    „Ich stimme bei“, sagte der Assessor. „Ist es den Herrschaften recht, so verfügen wir uns nach der Zelle!“
    Sie gingen, der Assessor, der Arzt, der Fürst und Fanny. Die letztere fühlte ihr Herz erbeben, als sie durch den finstern Korridor schritten und der Blick nur auf Fenstergitter und eisenbeschlagene Türen fiel. Eine dieser Türen wurde geöffnet. Sie traten ein; Fanny wagte sich nur zögernd näher, und dennoch stieß sie einen Laut des Schmerzes aus, als sie die Zelle erblickte; ein Kübel, ein Wasserkrug, eine Holzbank – für einen besseren Strohsack hatte der menschenfreundliche Assessor Sorge getragen.
    Der Gefangene lag bleich und mit geschlossenen Augen am Boden. Sein Gesicht war vom Schmerz verzerrt.
    „Gott, mein Gott! Ist das möglich?“ klagte Fanny. „Das ist Hadschi Omanah?“
    „Ist er es wirklich?“ fragte der Assessor.
    „Ja“, antwortete der Fürst. „Ich komme von seinem Verleger, den ich Ihnen, als Richter, empfehlen werde. Dieser hochbegabte junge Mann ist schmählich hintergangen worden. Übrigens haben wir eine Person entdeckt, welche versicherte, daß sie seine Unschuld zu beweisen vermöge.“
    Er erzählte das
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