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61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

Titel: 61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig
Autoren: Karl May
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machte eine Bewegung, sich ihm rasch zu nahen; aber der Fürst hielt sie zurück.
    „Bitte, bleiben Sie!“ bat er. „Der gute Augenblick ist vorüber. Der Arzt hat mit seiner Frage alles verdorben.“
    „Mein Gott!“ klagte sie. „Dieser junge Mann kann nichts als nur unschuldig sein!“
    „Ich bin überzeugt davon!“
    „Und wir sollen ihn verlassen?“
    „Nein, das werden wir nicht tun. Wir werden uns aus allen Kräften seiner annehmen. Und damit beginnen wir sofort.“
    Der Ohnmächtige war aufgehoben und nach dem Wagen getragen worden. Der Assessor zog vor den beiden unter einer dankenden Verbeugung den Hut; der Fürst aber nahm keine Notiz davon; er zog vielmehr Fanny von Hellenbach zu dem schönen Mädchen hin, dessen Arm er ergriff. Er schritt mit den beiden Mädchen der heranwogenden Menge voran zum Tor hinaus, um dort seitwärts einen ruhigen Platz zu einer ungestörten Erkundigung zu suchen.
    Die Fremde war förmlich bestürzt, von dem vornehmen Mann so ohne alle sichtbare Veranlassung ergriffen und fortgeführt worden zu sein. Auch Fanny vermochte den Grund dieses eigentümlichen Verhaltens nicht zu ersehen. Den beiden wurde Aufklärung erst dann, als sie sich so weit entfernt hatten, daß sie von dem Menschengewühl nicht mehr erreicht werden konnten. Dort blieb der Fürst stehen, gab den Arm des Mädchens frei, zog höflich grüßend den Hut und sagte:
    „Entschuldigung, mein Fräulein! Ich bemächtige mich Ihrer Person, weil ich Veranlassung zu haben glaube, dieselbe für eine für uns sehr wichtige zu halten. Sie kennen den Gefangenen, welchen wir soeben sahen?“
    Sie zögerte mit der Antwort. Sie wußte nicht, was besser sei, dieselbe zu bejahen oder zu verneinen. Der Fürst dachte sich einen anderen Grund ihres Schweigens und sagte:
    „Ich bin der Fürst von Befour. Darf ich vielleicht auch um Ihren Namen bitten?“
    „Ich heiße Judith Levi“, antwortete sie jetzt.
    „Ah! Wo wohnen Sie?“
    „In der Wasserstraße.“
    Da nahmen seine Züge einen weniger höflichen Ausdruck an. Sie war also die Tochter des Althändlers, bei welchem er gestern abend gewesen war, um sich nach den gestohlenen Diamanten zu erkundigen.
    „Also, Sie kennen den Gefangenen?“ fragte er.
    Sie hatte die Veränderung bemerkt, welche mit seinen Zügen vorgegangen war. Sie war ein stolzes Mädchen; sie wollte eine Million erben; sie brauchte sich eine so sichtliche Abnahme der Höflichkeit nicht gefallen zu lassen, selbst von einem Fürsten nicht.
    „Nein“, antwortete sie.
    „Und dennoch möchte ich behaupten, daß er Ihnen nicht unbekannt ist, oder daß wenigstens er Sie kennt. Seien Sie aufrichtig! Diese Dame ist die Baronesse Fräulein von Hellenbach.“
    Da zogen sich Judiths Brauen zusammen, und aus ihren Augen schoß ein Blick glühenden Hasses auf die Baronesse.
    „Von Hellenbach?“ fragte sie. „Die ihn angezeigt hat?“
    „Nein, nicht angezeigt. Das gnädige Fräulein ist nicht schuld, daß er in eine so unwürdige Lage gekommen ist.“
    „Wer denn? Er war der größte Dichter, geehrt und gefeiert von Tausenden. Jetzt ist er gefangen, entehrt, krank und wahnsinnig! Und wer ist schuld als diese hier!“
    Sie wendete sich ab, um fortzugehen; da aber wurde sie von Fanny am Arm festgehalten.
    „Sie irren sich, Fräulein Levi!“ beteuerte die Tochter des Obersten. „Ich bin nur hier, um ihn zu retten!“
    Judith drehte sich langsam um, blickte der Sprecherin ungläubig in das Gesicht und fragte:
    „Ihn retten? Der wegen Ihnen so elend wurde? Ich hasse Sie!“
    „Gut, hassen Sie mich!“ sagte Fanny. „Aber ich will seine Unschuld beweisen; er soll frei werden. Sie kennen ihn; es ist Ihnen vielleicht möglich, zu diesem Beweis beizutragen!“
    „Er ist unschuldig; ich weiß es!“ sagte Judith stolz.
    „So ersuche ich Sie, mir beizustehen! Wir werden Ihnen dankbar sein, Fräulein Levi!“
    Da ließ Judith ein verächtliches Lächeln sehen und antwortete:
    „Dankbar? Ich verzichte auf Ihren Dank! Ich bin selbst reich genug. Ich brauche Sie nicht. Ich allein bin genug, ihn frei zu machen!“
    Damit wendete sie sich ab und eilte davon. Fanny wollte ihr rasch nach; aber der Fürst hielt sie zurück.
    „Lassen Sie diese Jüdin!“ sagte er. „Nun ich sie kenne, ist sie uns sicher genug. Verweigert sie uns die erbetene Auskunft, so wird man sie vor Gericht zur Antwort zu zwingen wissen. Haben Sie gesehen, daß bei ihrem Anblick sein Geist zu sich kam, daß er sie erkannte?“
    „Ja, ganz
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