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600 Stunden aus Edwards Leben

600 Stunden aus Edwards Leben

Titel: 600 Stunden aus Edwards Leben
Autoren: Craig Lancaster
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vom Wagen zurück und winkt. Ich drücke den Knopf, um das Fenster hochfahren zu lassen, stelle die Automatikschaltung auf Fahrbetrieb und fahre die Auffahrt hinunter.
    Wenige Minuten später, um 16:26 Uhr, bin ich auf dem Highway 3 Richtung Stadt.
    Der Cadilla DTS ist ein in jeder Hinsicht besseres Auto, bis auf eines: Ich fand es schön, dass mein alter Camry Becherhalterungen hatte. Das ist nun noch etwas, von dem ich mich verabschieden muss.

    Zu Hause parke ich den Cadillac DTS in der Auffahrt, dann steige ich aus und bewundere ihn.
    Es ist ein schöner Wagen.
    Das personifizierte Nummernschild mit »Stanton« muss natürlich verschwinden. Mein Vater hatte einen Hang zur Extravaganz. (Ich liebe das Wort »Extravaganz«.)
    Die extra Halterungen für das Nummernschild mit dem Logo der Dallas Cowboys dagegen können bleiben.

    Die nächsten Stunden verbringe ich vordergründig damit, die Fotos durchzugehen, die meine Mutter mir mitgegeben hat. Ich sage»vordergründig« – und ich liebe dieses Wort –, weil ich genau alle zehn Minuten aufstehe und durch die Gardinen am Wohnzimmerfenster hinaussehe, ob ich Donna Middleton und/oder Kyle irgendwo entdecke. Doch ich sehe niemanden, obwohl ich an ihrem Auto erkennen kann, dass sie zu Hause sind.
    Die Fotoalben, die ich ausgesucht habe, sind aus fast allen Phasen meines Lebens, aber die meisten stammen aus der Zeit, als ich klein war und mein Vater und ich uns noch toll verstanden. Während ich durch die Alben blättere, nehme ich ein paar der Fotos heraus, die mir am besten gefallen: mein Vater und ich auf dem Riesenrad bei der Montana-Landwirtschaftsmesse, meine Mutter und ich vor einer Höhle der Carlsbad Caverns in New Mexico, meine Mutter und mein Vater planschend in einem See in Minnesota. Ich beschließe, dass diese Fotos und noch ein paar andere nicht in einem verschlossenen Album lagern, sondern lieber in einem Rahmen an der Wand hängen sollten. Da meine Wände leer sind, habe ich dafür viel Platz.
    Während ich überlege, wo die ausgesuchten Fotos am besten aussehen würden, wünsche ich mir, ich hätte an jenem Schneetag Fotos gemacht, als Kyle mit dem Blauen Blitz herumdüste und Donna und ich Schneebälle warfen. Fotografien, so scheint es mir, halten sowohl bestimmte Momente fest als auch Erinnerungen. Ich habe die Erinnerung an den Tag mit Donna und Kyle, aber ich weiß auch, dass Erinnerungen ungenau sind. Wenn ich eine Kamera gehabt hätte, statt nur meines Gedächtnisses, hätte ich den Augenblick einfangen können, sodass er mir nie wieder verloren geht. Falls Donna beschlossen hat, nicht länger meine Freundin zu sein, werde ich verzweifelt an diesen Erinnerungen festhalten müssen, damit sie nicht verschwinden, weil ich keine Gelegenheit mehr haben werde, sie zu ersetzen.
    Als der große Zeiger auf die Zwölf wandert und weitere zehn Minuten verstrichen sind, gehe ich wieder zum Fenster und sehe hinaus. Die beiden sind immer noch nirgends zu entdecken.
    Obwohl ich nichts lieber tun würde, als dieses Haus zu verlassen und zu meinen Freunden zu gehen, entscheide ich stattdessen, nichtweiter nach ihnen Ausschau zu halten. Aus dem Fenster zu starren, verstößt nicht unbedingt gegen das, was Dr. Buckley mir geraten hat – Donna Zeit zu geben –, aber es verstößt gegen das Prinzip, das dahintersteckt.

    Um 22:00 Uhr beginne ich mit der heutigen Folge von
Polizeibericht
. Obwohl ich gestern gegen meinen Zeitplan verstoßen und die Serie früher gesehen habe, nämlich um 19:04 Uhr, tat ich das nur, um zu verdeutlichen, dass ich meinem Rhythmus nicht sklavisch (ich liebe das Wort »sklavisch«) folgen muss. Ich habe auch eine zweite Folge gesehen, die sechzehnte der ersten Staffel in Farbe mit dem Titel »Warenhausdiebstahl«, und das ebenfalls, um etwas zu beweisen. Ich wollte zeigen, dass ich meine Lieblingsserie ansehen kann, wann immer und wie lange ich will.
    Die Wahrheit ist jedoch, dass ich
Polizeibericht
gern um 22:00 Uhr sehe und dann auch nur eine Folge. Das passt für mich. Zu tun, was man will und wobei man ein gutes Gefühl hat, erscheint mir richtiger, als Sachen zu tun, nur um etwas zu beweisen. Ich denke, Dr. Buckley würde dem zustimmen.
    Die heutige Folge, die siebzehnte und letzte der ersten Staffel der Folgen in Farbe, heißt »Der Selbstmord-Mord« und ist eine meiner Lieblingsfolgen.
    Das erste Mal ausgestrahlt wurde sie am 11. Mai 1967, und Sergeant Joe Friday und Officer Bill Gannon untersuchen darin einen Selbstmord.
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