Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
600 Stunden aus Edwards Leben

600 Stunden aus Edwards Leben

Titel: 600 Stunden aus Edwards Leben
Autoren: Craig Lancaster
Vom Netzwerk:
den besten, die wir jemals hatten. Sie haben mir geholfen, in Bezug auf meinen Vater und Donna Middleton vieles klarer zu sehen. Sie sind eine sehr weise und logische Frau.
    Ich verstehe, was Sie über Donna gesagt haben, und ich werde ihr die Zeit geben, die sie braucht. Ich hoffe jedoch, dass Sie unrecht haben. Ich wäre sehr traurig, wenn Donna Middleton nicht länger meine Freundin sein will.
    Ich freue mich darauf, nächste Woche wieder mit Ihnen zu sprechen. Danke für alles, was Sie getan haben, um mir zu helfen.
    Es grüßt Sie Ihr Patient
    Edward Stanton

MITTWOCH, 5. NOVEMBER
    Ich habe mir überlegt, dass ich tatsächlich ein paar Rituale habe, die die Zeit, die ich in sie investiere, möglicherweise nicht wert sind. Ich denke nicht, dass ich es aufgeben könnte, die Wetterdaten zu notieren – über das Muster beim Wetter kann man viel über die Tendenzen eines Ortes erfahren, und es macht mir Spaß zu sehen, wie oft die Vorhersagen falsch sind. Aber vielleicht könnte ich aufhören, die Tage ohne meinen Vater zu zählen, vor allem, weil ich das meinen Daten erst vor Kurzem hinzugefügt habe. Außerdem, wenn ich es so sehe, wie Dr. Buckley vorgeschlagen hat, bin ich nicht wirklich ohne meinen Vater. Er ist bei mir – in meinen Gedanken und Erinnerungen. Das ist etwas, das außerhalb der Grenzen der rein auf Tatsachen beruhenden Welt liegt, in der ich leben will, aber ich denke, ich würde gern ausprobieren, ob es funktioniert.
    An all dies denke ich um 8:17 Uhr, neununddreißig Minuten nach meinem Aufwachen. Falls das Ausrechnen für Sie eine zu große Herausforderung ist: Das war dann um 7:38 Uhr, das 228. Mal in 310 Tagen (weil es ein Schaltjahr ist), dass ich um diese Uhrzeit aufgewacht bin. Es war außerdem das dritte Mal in Folge, dass ich zu dieser häufigsten aller Aufwachzeiten aufgewacht bin, und ich entnehme daraus, dass ich allmählich zu meinem normalen Rhythmus zurückkehre. Ich bin erleichtert. Was meinen Rhythmus angeht, herrschte in letzter Zeit zu viel Kuddelmuddel. (Ich liebe das Wort »Kuddelmuddel«.)
    Vor ein paar Minuten habe ich durch die Gardine im Wohnzimmer gespäht und beobachtet, wie Donna Middleton ihren Sohn mit seinem Rucksack ins Auto verfrachtete – für die Fahrt zur Schule, wie ich annehme. Es war schwer, das Verlangen zu unterdrücken, hinauszugehen und zu testen, ob ich Donnas Aufmerksamkeitgewinnen kann in der Hoffnung, dass sie mit mir spricht, aber ich habe an das gedacht, was Dr. Buckley gesagt hat. Donna Middleton braucht Zeit und eigenen Freiraum. Und obwohl ich nur noch etwa 280.000 Stunden meines Lebens übrig habe – mal angenommen, ich werde durchschnittlich lange leben, und ich mag keine Annahmen –, bin ich gewillt, einige von ihnen dafür zu opfern, dass ich Donna Middleton entscheiden lasse, was sie tun will.
    Jetzt sitze ich bei einem weiteren meiner nicht verhandelbaren Rituale am Esstisch: Ich esse meine Cornflakes und lese die Morgenausgabe des
Billings Herald-Gleaner
. An der großen Schlagzeile auf der Titelseite erkenne ich, dass Barack Obama gewonnen hat. Die Schlagzeile lautet in Großbuchstaben: »ZEIT FÜR OBAMA«. Die Schlagzeile beeindruckt mich nicht, sie klingt wie eine Bierwerbung. Ich habe fast Lust, einen Beschwerdebrief an den Herausgeber zu schreiben, aber dann denke ich noch einmal darüber nach und merke, dass ein weiteres meiner Rituale möglicherweise überflüssig geworden ist. Ich denke, ich werde ausprobieren, ob ich ohne nicht abgeschickte Beschwerdebriefe zurechtkomme und stattdessen einfach versuche, mit enttäuschenden Situationen genau dann fertig zu werden, wenn sie passieren. Wenn eine Beschwerde nötig ist, werde ich mich beschweren. Aber wenn ich die Sache auf sich beruhen lassen kann, dann werde ich das versuchen, auch wenn ich weiß, dass es schwer sein wird. Eine schlechte Schlagzeile im
Billings Herald-Gleaner
ist zwar ärgerlich, gehört aber zu den Dingen, die ich auf sich beruhen lassen sollte.
    In der Zeitung steht außerdem ein Artikel über den jetzt freien Sitz im Landrat. Mein Vater ist so kurz vor den Wahlen gestorben, dass keine Zeit war, sofort neue Kandidaten zu suchen und im Zuge der Präsidentschaftswahl mitwählen zu lassen, daher hat man in der Bezirksregierung beschlossen, den Posten mittels einer extra Wahl im Januar neu zu besetzen. Billings’ Bürgermeister Kevin Hammel kündigt an, er werde sich für das Amt bewerben. Da er seine Wahl zum Leiter der Schulaufsichtsbehörde von
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher